Freitag, Mai 20, 2005

Warum eigentlich bloggen? - Neuauflage

Meine Fans der ersten Stunde werden diese Frage "Warum eigentlich bloggen?" mit Sicherheit schon einmal hier gelesen haben. Fans der ersten Stunde klingt gut, hab ich die überhaupt? Zeigt doch mal auf, streichelt mein Ego. Gibt auch Kuchen ;)

Gut, widmen wir uns wieder der Überschrift. Nachdem ich Abraxas Abschiedspost gelesen habe, in meinem Lieblingsforum die Frage aufgetaucht ist, wie authentisch unsere virtuelle Persönlichkeit eigentlich sein kann und auch noch von einer neuen Bekanntschaft via Chat gefragt wurde, warum man eigentlich bloggt, ratterten die kleinen Rädchen fleißig vor sich hin. Wie authentisch bin ich hier? Was von dem, was ich schreibe, ist wirklich "ich"? Hier geht es häufig um das, was ich denke und fühle. Also exhibitionistische Selbstdarstellung? Ich verlinke und kommentiere selten politisches (Welt)Geschehen oder kuriose Dinge, über die ich beim Surfen im Netz gestolpert bin. Was nicht heißen muß, daß ich keine Meinung dazu habe - ich finde lediglich, daß andere besser darüber schreiben können als ich.

Daß ich auf die Frage "blogge ich nur, um etwas darzustellen, was ich gerne wäre aber nicht bin?" keine direkte und schlüssige Antwort finde, macht mich ziemlich nachdenklich. Auch ich freue mich darüber, wenn man mein wirres Geschreibe kommentiert oder ich Zuspruch in den Wolfsspuren finde. Ist das schon Suche oder gar Sucht nach Anerkennung und wie sehr brauche ich das? Meine Zugriffsstatistiken verraten mir immerhin, daß sich im Schnitt zwanzig bis dreißig Leute täglich hier her verirren. Gut, auch wenn ich nicht glaube, daß Leute, die nach "nackten Knaben" (der Renner bei den Suchworten - ich sollte da mal was drüber schreiben) oder "Was tue ich auf die wunde Blase an meinen Füßen" suchen, lange hier verweilen werden. Dann lassen wir es optimistisch zehn Leser am Tag sein, die lesen, was aus meiner virtuellen Feder fließt. Auch wenn sie keine offensichtlichen Spuren hinterlassen, was denken sie über das, was ich hier online stelle? Sind sie meiner Meinung oder sieht ihre Sicht der Dinge ganz anders aus?

Wieviel kann man über einen Menschen wissen, wenn man nur dessen virtuelle Seite sieht? Die Worte, die er in Foren, Chats und Weblogs benutzt, wieviel verraten sie über ihn, sein wahres Wesen? Ich bin jemand, der Worte benutzt wie ein Chirurg seine Instrumente. Meine stärkste Fähigkeit ist der Umgang mit Worten. Doch wieviel von mir zensiert mein Unterbewußtsein wenn ich nach Formulierungen suche, die meiner Meinung nach am passendsten ausdrücken, was ich denke?

Das reine Wort an sich, mit dem wir es hier im Internet zu tun haben, läßt sehr viel Spielraum für Interpretation. Jeder wird sich aufgrund meiner Worte ein eigenes Bild machen, wie ich im realen Leben sein könnte. Ich kenne diesen Mechanismus des Interpretierens und ich kann ihn anwenden. Im realen Leben benutze ich oft genau die Worte, die mein Gegenüber hören möchte oder von denen ich weiß, daß sie exakt ins Schwarze treffen werden. Anhand dessen, was meine Gesprächspartner mir erzählt und vor allem, wie er es erzählt, welche Gestiken und welche Mimik er benutzt, kann ich sehr oft durch die Fassade schauen, die ein jeder mehr oder weniger vor sich aufbaut, bis zum Grund dessen, was er zu verbergen sucht. Wie jemand zum Beispiel über seine Eltern spricht, kann mir viel darüber verraten, wie das Verhältnis zu selbigen ist und manchmal sogar, warum es so ist. Kann man das auch noch, wenn man nur den reinen Text vor sich hat? Ohne die Interpretationshilfen Gestik, Mimik und Ausdruck?

Wir identifizieren uns mit dem Autor, wenn wir einen Text lesen, der uns anspricht. Jeder wird das kennen. Wir finden dieses oder jenes Buch gut, weil der Autor uns in seinen Bann zieht, weil er uns an der Sicht und den Erlebnissen einer meist fiktiven Figur teilhaben läßt. Wir leiden mit ihr, wir lachen mit ihr, wir bauen eine Art Beziehung zu ihr auf. Ist die Frage, inwiefern das bei Weblogs der Fall ist. Nun, wenn sie gut geschrieben sind geht es mir wie bei oben erwähntem Buch. Dann leide ich auch mit, dann lache ich mit und ich baue in der Tat eine Art Beziehung zu diesem Menschen, den ich doch eigentlich gar nicht kenne, auf. Doch wie gut kenne, kann ich, diesen Menschen kennen? Weblogs bieten einen Einblick in das Leben anderer Menschen und je nachdem auch in ihr Denken oder ihr Fühlen. Doch ich habe keine Möglichkeit, herauszufinden, wie authentisch der Weblog-Autor ist.

Nehmen wir als Beispiel das Swingende Weib (und es möge mir hoffentlich verzeihen, hier als Beispiel herhalten zu müssen). Sie schreibt über Weiblichkeit, Lust, Sehnsucht und das mit Worten, die mich packen, verzaubern, manchmal schmunzeln und manchmal nachdenklich werden lassen. Sie offenbart intime Gedanken und Erlebnisse und die Art und Weise, wie sie das tut, finde ich im höchsten Maße erotisch. Für mich ist das Weib wirklich eine erotische Frau. Dabei könnte sie in der Eisdiele am Nebentisch sitzen, eine dicke Brille auf der Nase, Birkenstocks an den Füßen und einen selbstgestrickten Pullover an haben und damit total unerotisch auf mich wirken. Ich weiß nicht, ob ihre Texte von wahren Erlebnissen berichten oder nur ihrer Phantasie entspringen. Sie bleibt anonym, schafft somit eine Distanz zwischen sich und ihren Lesern (was bei dem Thema wahrscheinlich auch sehr klug ist). Was ist bei ihr also echt und was nicht? Benutzt sie gar ihr Weblog nur, um sich im Internet anders darzustellen als sie im wahren Leben ist? Um eine Seite ihrer Persönlichkeit auszuleben, die im wahren Leben nie zum Vorschein kommt? Oder ist das Weib gar nur eine rein fiktive Gestalt, hinter der sich ein unbekannter Autor verbirgt?

Was hat das Weib nun mit mir zu tun? Davon abgesehen, daß ich ihr Weblog sehr mag und wir beide gerne zu schreiben scheinen, auf den ersten Blick wohl recht wenig. Gibt es denn Mirtana wirklich? (Die Leute, die mich real kennen, nehmt Euch ein Stück Kuchen und seid ruhig). Wer ist sie denn überhaupt? Ist sie wirklich die jenige, als die sie sich hier ausgibt? Oder habe ich sie vielleicht erfunden, um im Worldwide Web etwas zu sein, was ich im realen Leben gar nicht bin? Könnte ja sein, wer könnte mir schon das Gegenteil beweisen?

Womit ich wieder bei der Frage wäre, warum tue ich das hier eigentlich? Warum stelle ich mich und Teile meines Inneren hier bewußt zur Schau? Nun, ich habe Spaß am Schreiben und dem Spiel mit Sprache. Ich finde gerne Worte für das, was in mir vorgeht. Ich diskutiere gerne mit mir selber, stelle mich in Frage und finde neue Antworten. Ich weiß, daß ich mich hier oft widerspreche, doch dieser Teil von mir ist in der Tat echt. Das, was ich gestern so kommentiert habe, kann ich heute schon wieder ganz anders sehen. Denn, was interessiert mich meine Meinung von gestern? (Ich weiß leider nicht mehr, von welchem klugen Menschen dieses Zitat stammt). Vielleicht ist es wirklich eine exhibitionistische Neigung, die jedoch nicht soweit geht, dem Herzallerliebsten die URL zu diesem privaten Reich zu verraten. Warum nicht? Weil ich mich nicht für jeden Satz rechtfertigen möchte und weil ich beim Schreiben nicht darüber nachdenken will, wie ich etwas möglichst schonend für ihn formuliere. Das tue ich, wenn ich mit ihm über das, was uns beide betrifft, von Angesicht zu Angesicht rede. Doch hier will ich mich austoben und manchmal auch rücksichtslos sein dürfen.

Stimmt, das kann ich in meinem privaten Tagebuch (das es durchaus auch noch gibt, altmodisch mit Stift und Papier schreiben hat etwas) auch, dafür müßte ich nicht diese Seite nutzen. Die ehrliche Antwort auf die Frage, warum ich das dann tue, lautet schlicht und ergreifend: weil ich es kann. Vor Jahren wäre die damalige Mirtana niemals auf die Idee gekommen, öffentlich im Internet zu schreiben. Sie hätte sich geschämt und Angst davor gehabt, ausgelacht zu werden. Sie hat ihre Texte in ihrem Tagebuch gehortet oder gut verschlüsselt auf der Festplatte ihres alten PC's gelagert. Diese Mirtana war jemand, der immer etwas dargestellt hat und so gut wie jeden auf Distanz gehalten hat. (Distanz schaffe ich hier auch, weil ich unter einem Pseudonym schreibe. Doch ich bin mir ziemlich sicher, daß ein gewiefter Hacker auch herausfinden könnte, wo ich wohne und wie oft ich wann mit wem telefoniert habe.) Denn es gibt durchaus ein paar Freunde aus meinem realen Leben, die hier ab und zu mal vorbeischauen und denen ich früher nie erzählt hätte, was mich bewegt. War ja auch selten meine Aufgabe, ich fand das Zuhören und anderen bei ihren Problemen helfen immer angenehmer, als mich offen und verletzlich zu geben.

Deswegen sagte ich, daß ich diese Seite benutze, um zu Schreiben und mir im Prozeß des Schreibens auch über viele Dinge klar zu werden, weil ich es schlicht und ergreifend kann. Nicht das Schreiben, da gibt es wesentlich talentiertere Menschen als mich, aber das zugänglich machen von Gedanken und Gefühlen für andere. In Ruhe das sagen zu können, was ich zu sagen habe. Schließlich kann mir keiner dazwischen quatschen während ich mit dem ollen Ludwig im Kopfhörer hier früh morgens sitze und vor mich hin sinniere. Ich kann mir alle Zeit der Welt lassen und mir in aller Ruhe überlegen, wie ich das, was ich sagen möchte, am verständlichsten rüberbringe. Gut, daß der liebe H. mich nicht versteht, das ist Pech ;)

Genau, deswegen blogge ich also. Beruhigend zu wissen und jetzt muß ich aber. Ihr wißt schon, den versprochenen Kuchen backen. Lieber Schokolade oder Zitrone?

3 Wolfsspur(en):

Blogger abraxa meint dazu ...

schokolade...

noch ein grund warum ich nicht mehr blogge ist, weil ich dieses ich schreibe was ich denke ohne rücksicht auf verluste nicht mehr aufrecht erhalten konnte...
und weil ich angefangen habe zu hoffen, dass mir leute wiedersprechen wenn ich ihnen mein bild von mir zeichne...

10:31 AM  
Blogger robby_black meint dazu ...

Die Frage auf das "Warum?" könnte ich nicht einfach beantworten. Bloggen bzw. "Diary-schreiben" ist vielleicht so 'ne Form von Dekadenz, Kurzweil und gibt mir so'n Gefühl etwas getan zu haben, auch wenn sich eigentlich nichts im Leben ereignet hat.
Ja, es ist ein unermüdliches Thema... Darum soll's mal gut sein, damit ich nicht die Comment Funktion hier sprenge.

Vielleicht schreib' ich mal ausführlicher bei "mir" auf das "Warum?". *g* Ich bin immer dankbar, wenn ich mal über ein Thema schreiben kann, was interessant ist.

Gruß

8:21 PM  
Anonymous Anonym meint dazu ...

Hallo Mirtana,

Dein Beitrag macht sehr nachdenklich, vor allem der Teil über die virtuellen Gesichter der Menschen.

herzliche Grüße und Danke für Deinen Besuch bei mir.
silvia

10:34 PM  

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