Sonntag, März 06, 2005

DIe Kriegerin


Langsam weicht die Nacht dem Tag und draußen erwacht die Welt. Sie ist vor Anbruch der Dämmerung aufgestanden und hier herauf gekommen. Vogelgesang dringt an ihr Ohr, wie von fern, sie nimmt ihn kaum wahr. Sie bereitet sich auf die vor ihr liegende Aufgabe vor. Entspannt und doch hoch konzentriert hockt sie vor der heiligen Quelle, der schon ihre Urahninnen geheimnisvolle Kräfte zuschrieben. Ihr Blick ist nach innen gerichtet, sie ruft sich vor ihr inneres Auge, wer sie ist, sie sammelt ihre Kraft für die Aufgabe, die vor ihr liegt. Es wird schwer werden, das weiß sie, doch nicht unmöglich.

Sie ist eine Kriegerin, sie wurde so erzogen und ihr Leben besteht darin, die Beste von allen zu sein. Unbesiegbar und dabei doch so schön. Ihr Gesicht ist sanft und ihr Blick stets warm und freundlich. Sie riskiert ihr Leben, um die Menschen zu schützen, bei denen sie aufgewachsen ist. Man schätzt sie, wahrt aber trotzdem Distanz. Es ist die Kriegerin, die alle sehen und vor der man Respekt hat. Was niemand sieht, ist ihr Kampf gegen die Einsamkeit, die ihr schwer im Herzen sitzt. Ihr Ruf verängstigt die Menschen, sie weiß das und ist doch machtlos, etwas daran zu ändern.

Leise seufzend richtet sie sich auf, streicht ihre Kleidung glatt und bittet die Göttin um ihren Beistand, bevor sie sich herum dreht und fast geräuschlos vor den Eingang der Höhle tritt. Die ersten Sonnenstrahlen des Tages tauchen ihre sonnengebräunte Haut in einen leichten Bronzeton. Ihr langes, braunes Haar trägt sie zu einem Zopf geflochten, der ihr auf den Rücken fällt. Ihre Erscheinung ist stolz, hochaufgerichtet schaut sie in den Sonnenaufgang. Ihr Gang ist leicht und federnd, jede ihrer Bewegungen spricht von ihrer Kraft, als sie mit einer fast nachlässigen Bewegungen das Schwert zieht. Es gibt ein leises Schaben von sich, als es aus der Scheide gleitet.

Silbern leuchtet das Schwert im Morgenlicht auf als sie es von sich streckt, sich sammelt und bewegungslos mit geschlossenen Augen dort für einen Moment lang steht. Dann beginnt sie ihre Übungen, erst langsam, immer schneller werdend, bis das Schwert einem silbernen Schemen gleicht, der mit einem hörbaren Sirren die frische Morgenluft zu zerschneiden scheint. Sie ist eins, mit sich, mit ihrer Umgebung, mit ihrem Schwert. Ihre Bewegungen sind elegant, scheinbar mühelos führt sie den schweren Zweihänder. Sie zittert nicht, ist absolut sicher und die Anstrengung, die es sie kosten muß das schwere Schwert zu halten, ist ihr nicht anzusehen. Allmählich werden ihre Bewegungen langsamer, sie kommt zurück in die Haltung, mit der sie ihre morgendlichen Übungen begonnen hat. Das Schwert erhoben, neigt sie den Kopf, fast so als würde sie einem nur für sie sichtbaren Gegner Respekt erweisen. Wieder scharrt es leise als sie das Schwert zurück in die Scheide schiebt, die sie quer über den Rücken gebunden trägt.

Sie wendet sich nicht nach dem Höhleingang um, sondern geht mit ruhigen Bewegungen auf ihr Pferd zu, das sie mit einem leisen Schnauben begrüßt. Sanft gleiten ihre Hände über seinen Hals bevor sie sich in den Sattel schwingt, die schwarze Stute wendet und davon reitet. Ein letztes Mal schaut sie sich um, wirft einen letzten Blick auf das Dorf, das zu schützen sie geschworen hat. Mit dem festen Glauben daran, abends wieder heimzukehren, geht sie ihrer Aufgabe entgegen.

© Mirtana, März 2005