Mittwoch, Juni 29, 2005

"Du riechst nach Pferd"

Zwanzig Minuten Fußmarsch von hier, hoch in Richtung Bottrop Kirchhellen, liegt ein Reiterhof, dessen Koppeln kreuz und quer durch den Wald verstreut sind. Ich laufe gerne abends dort entlang, wenn die Sonne nicht mehr vom Himmel brennt, die Sonne lange Schatten wirft und der Staub im goldenen Licht tanzt. Auf einer Koppel stehen zwei braune Wallache. Wunderschöne Tiere mit langer, schwarzer Mähne, die ihnen bis zu den Augen reicht, was ihnen ein keckes Aussehen verleiht. Ich stoppe gerne dort am Zaun und beobachte die beiden Hübschen, wie sie langsam vorwärts gehen, die Köpfe am Boden, und friedlich grasen. Ab und an schauen sie hoch, als ob sie nachschauen wollten, ob der Mensch da am Zaun immer noch da ist und sie beobachtet. Sie sind neugierig. Ich rühre mich nicht, ich stehe einfach still am Zaun, die Arme auf der obersten Latte verschränkt. Bis sie vor mir stehen und neugierig an mir herumschnuppern. Der kleinere Wallach hat bald genug von mir und trollt sich. Doch der größere bleibt bei mir stehen und seine Nase kitzelt mich am Hals. Sanft puste ich ihm in die Nüstern und ich habe diesen warmen, satten Geruch nach Pferd in der Nase, der Erinnerungen an Zeiten wachruft, die schon lange vergangen sind. Der Wallach untersucht nun meine Hosentaschen, ob ich dort nicht doch etwas leckeres versteckt habe. Er schubst mich vorsichtig mit dem Kopf an, als ob er sagen wollte, daß ich doch nicht einfach ohne Leckerli auftauchen könne.

Zu meinem Glück kommen keine Spaziergänger vorbei, ich muß einen ziemlich verrückten Anblick bieten, so wie ich da am Zaun gelehnt stehe, mit einem Pferd schmuse und ihm von seinen Artgenossen in der ungarischen Puszta erzähle. Plötzlich schnaubt der Wallach und trabt ein paar Schritte vom Zaun weg. "Was machst du da mit meinem Sundown?" fragt mich eine tiefe männliche Stimme mißtrauisch. "Wir haben uns unterhalten," gebe ich ungerührt zurück, ohne mich umzudrehen, als sei es das normalste der Welt, sich mit Pferden zu unterhalten und ihnen davon zu erzählen, was für ein Gefühl es ist, ohne Sattel im vollen Galopp über die ungarische Steppe zu preschen, das Donnern der Hufe im Ohr, den Staub, den vierzig Jährlinge nun einmal aufwirbeln, im Gesicht, die tiefstehende Sonne am Horizont, die alles in ein rotes Licht taucht und die Leichtigkeit, mit der sich das Pferd unter einem bewegt, zu fühlen. "Daß das ein bißchen verrückt klingt, ist dir aber schon klar, oder?" fragt mich der Mann, zu dem die Stimme gehört, und tritt neben mich an den Zaun. "Was heißt schon verrückt?" sage ich und drehe den Kopf, um den Neuankömmling anzusehen. Ich schätze ihn Mitte dreißig, unter seinen dunklen Haaren blitzen mich ein paar tiefblaue Augen neugierig an, er ist einen guten Kopf größer als ich, schlank und trägt verwaschene Jeans und ein schlichtes schwarzes T-Shirt. In der linken Hand hält er zwei Halfter. "Ich glaube, Sundown mag dich," der Unbekannte deutet auf den Wallach, der neugierig näher kommt. "Kommst du öfter hier her?" fragt er mich weiter aus, so ganz geheuer scheine ich ihm wohl nicht zu sein. "Manchmal. Ich beobachte die Pferde gerne," beantworte ich seine Frage. "Und redest mit ihnen," fügt er hinzu und lächelt mich an. "Magst du mir helfen, die beiden Racker einzufangen?" er hält mir ein dunkelblaues Halfter hin. "Sicher," ich nehme ihm das Halfter aus der Hand. "Aber sei ein bißchen vorsichtig, Sundown mag keine Halfter," erklärt er mir.

Ich schlüpfe durch das Gatter und gehe langsam auf den Wallach mit dem Namen Sundown zu. Er tänzelt weg von mir als er das Halfter in seiner Hand sieht. Aus den Augenwinkeln sehe ich, daß der Unbekannte einige Mühe hat, den kleineren Wallach einzufangen. Immer wieder trabt er davon, dreht sich um, läßt seinen Besitzer ein paar Meter näher kommen um dann das Spiel wieder von vorne zu beginnen. Ich habe keine Lust, hinter einem Pferd herzurennen, also greife ich in meine Tasche und klimpere mit meinem Schlüssel. Sundown beobachtet mich mit schiefgelegtem Kopf und gespitzten Ohren. Ganz ruhig bleibe ich einfach stehen und lasse ihn näher kommen, halte ihm das Halfter hin und rede leise mit ihm. Er läßt sich zwischen den Ohren kraulen, jedoch nicht, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen. Ich lasse mir Zeit und seltsamerweise läßt sich Sundown nach einer Weile das Halfter anlegen ohne mit der Wimper zu zucken. Der Unbekannte hat seinen Racker mittlerweile auch eingefangen und schaut mich fragend an, als ich Sundown am Halfter zum Gatter führe. "Hast wohl viel Erfahrung mit Pferden, was? Reitest du auch?" fragt er, während er das Gatter öffnet. "Nein, ich habe früher, als Teenager, oft im Pferdestall rumgehangen, aber wirklich Ahnung von Pferden habe ich nicht, geschweige denn, daß ich richtig reiten kann. Pferde und ich, wir einigen uns mehr darauf, daß es sinnvoller ist, in die Richtung zu traben, die ich gerne hätte," grinse ich zurück. "So, wie du mit ihm umgehst, hätte ich eher vermutet, du verbringst deine ganze Freizeit mit Pferden," er lacht mich freundlich an. "Magst du ihn zum Stall reiten?"

Er hilft mir auf den Pferderücken, ohne Sattel komme ich da nicht hoch. Es fühlt sich ungewohnt an, mal wieder auf einem Pferd zu sitzen, dazu noch ungesattelt und statt einer Trense nur ein Halfter an das eine Halteleine befestigt ist. Mir ist ein bißchen mulmig zu mute. Während die Pferde so nebeneinander den Weg entlangtrotten, unterhalten wir uns. Gerade so, als würden wir uns schon seit einer Ewigkeit kennen. Ich erfahre, daß er verheiratet ist, seine Frau nicht viel für Pferde übrig hat, er als Webdesigner arbeitet und oft mit seinen beiden Pferden Sundown und Azzuro Westernshows besucht. Mir ist durchaus bewußt, daß wir nicht auf direktem Weg zum Stall reiten, wir schlagen stattdessen einen großen Bogen. Fast zwei Stunden waren wir unterwegs. Ich helfe ihm noch, die Pferde zu putzen und zu füttern, bevor ich mich verabschieden will. "Soll ich dich nicht fahren? Es wird gleich dunkel," bietet er mir an, doch ich lehne freundlich ab, ich möchte gerne laufen und dabei noch ein bißchen dem Gefühl, mal wieder auf einem Pferd gesessen zu haben, nachhängen. "Warte mal," sagt er leise und ich drehe mich zu ihm um. Er tritt einen Schritt auf mich zu und streicht mir eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht. Seine Hand ist warm und mir gefällt diese Geste. In seinen Augen kann ich lesen, daß es Absicht ist, daß er die Hand nicht wegnimmt. "Sehe ich dich mal wieder?" will er wissen. "Vielleicht," entgegne ich und versuche, nicht in diesen tiefen blauen Augen zu versinken. "Bei den Pferden? Wenn der Abend schön genug für einen kleinen Ausritt ist?" fragt er weiter. Ich antworte nicht. So stehen wir eine Weile schweigend dort auf dem Weg, während die sinkende Sonne immer längere Schatten malt. Als wäre ich verzaubert, irgendwie kann ich mich nicht einfach verabschieden und gehen.

"Wir dürfen das nicht, du bist in einer Beziehung und ich bin verheiratet," mit diesen Worten durchbricht er das Schweigen. "Was dürfen wir nicht?" entgegne ich. "Das," sagt er, zieht mich mit einer Hand an sich während die andere Hand immer noch an meiner Wange ruht. Dann küßt er mich, vorsichtig und auf eine Art schüchtern. Als hätte er Angst, daß man ihm jeden Moment einen Stromschlag versetzen würde. Dieser Kuß ist der perfekte Abschluß eines Abends, der nüchtern betrachtet aus einem kitschigen Heimatfilm hätte stammen können. Gar nicht nüchtern betrachtet war er mehr eine Reise in eine andere Welt, in der Sorgen keinen Zugang haben. Irgendwann löse ich mich aus dem Kuß. Er ist nicht böse, wie es scheint, er lächelt mich an. Als würde er das gleiche darüber denken wie ich. "Komm gut nach Hause," sagt er und läßt mich los. Ich lächel zurück, drehe mich um und gehe nach Hause. Auch wenn ich nicht noch einmal zurück schaue, ich weiß, daß er dort steht und mir nachsieht, bis ich um die Ecke verschwunden bin.

Mit jedem Schritt gehe ich nicht nur weiter Richtung des Hauses, in dem ich wohne, sondern auch in Richtung Realität. Ich bin wieder aufgewacht, als ich den Schlüssel herumdrehe und den Flur betrete. Der Herzallerliebste kommt mir entgegen. "Wo warst du denn, du riechst ja wie ein Pferd!" ruft er aus, als er mich in die Arme schließt. "Ich war ja auch bei den Pferden," entgegne ich. "Du strahlst ja so," bemerkt er und schaut mich an. "Ja, ich bin gerade von einem Cowboy zu einem Ausritt entführt und zum Abschied geküßt worden," erkläre ich. "Ach so ist das. Muß ich mir jetzt auch ein Pferd anschaffen, damit du mich küßt?" der Herzallerliebste grinst bis über beide Ohren, er kennt mich gut genug um zu wissen, daß ich nicht scherze. "Nee, Pferd auf dem Balkon wäre wohl ein bißchen albern," ich grinse zurück, küße ihn und verschwinde in Richtung Dusche.

Der Herzallerliebste und mein frischgeduschtes Ich liegen auf dem Sofa und schauen "Desperate Housewifes", als ich ihn frage, ob er mir böse sei. Warum er böse sein solle fragt er. Naja, immerhin hab ich einen anderen geküßt. Ich zucke mit den Schultern. "Du hättest dich eben sehen sollen, als du durch die Tür kamst. Du hast so schön ausgesehen und du hast gestrahlt, so als ob du ganz bei dir gewesen bist. Außerdem, wer würde dich nicht küssen wollen, wenn du so ausgeglichen aussiehst?" erklärt er, nimmt mich fester in den Arm und so lachen wir gemeinsam darüber, wie Edie Brit der armen Susan Mayers die Asche der verstorbenen Martha Huber ins Gesicht kippt.

Das Gewitter, das gerade hier nieder gegangen ist, hat mich aufgeweckt. So sitze ich nun vor dem Rechner, im Herzen dieses allumfassende und warme Gefühl für den Menschen, der in meinem Bett liegt und leise vor sich hin schnarcht, und mir ist während des Tippens aufgefallen, daß ich den Unbekannten nicht einmal gefragt habe, wie er eigentlich heißt ... Was spielt es auch für eine Rolle, ob es zu dem Gesicht und diesem Abend einen Namen gibt oder nicht? Der jenige, der eine Rolle in meinem Leben spielt, liegt in meinem Bett und wird aller Wahrscheinlichkeit nach im Schlaf das ganze Bett für sich beansprucht haben. Und genau dahin werde ich mich jetzt begeben, ihn vorsichtig zur Seite schieben und mich in seinen breiten Rücken kuscheln.

Samstag, Juni 25, 2005

Heiß ....


Warm isses in Deutschland ... Zu warm für mich. So verbringe ich auch den größten Teil des Tages und wünsche mir, ich könnte mit ihm hier tauschen:

Freitag, Juni 24, 2005

Respect is something you earn ...

Schönes Wort: Respekt ... Weniger schön: respektlos. Wobei es mich nicht wirklich stört, wenn man mich respektlos nennt. Erst recht nicht, wenn man es mir in einem "Wer am lautesten schreit hat immer Recht" Ton vor den Latz knallt. So etwas amüsiert mich eher. Um vorneweg zu sagen, der Herzallerliebste ist in dieser Hitze geplagten Wohngemeinschaft derjenige welcher einkaufen fährt, da er im Gegensatz zu mir 80er fahren darf. Per Pedes bedeutet der Erwerb und das daran angeschlossene Verbringen von Lebensmitteln in die vier Wände eine häßliche Plackerei, der nächste Supermarkt ist einen Kilometer entfernt. Da ziehen sich die Arme mittels prall gefüllter Einkaufstüten ganz schön in die Länge, wenn man eine Wochenration Futter für mehr als zwei Leute schleppen muß.

Und der Herzallerliebste hat die nette Angewohnheit, auf spezielle Vorlieben eines jeden Bewohners einzugehen, egal ob der eine gerne Buttermilch trinkt oder der andere eine ganz bestimmte Salami gerne ißt, die es nur in einem Supermarkt in der Stadtmitte käuflich zu erwerben gibt, oder aber mir meinen heißgeliebten Pfanner Eistee (oder ähnliches). Nun begab es sich, daß nicht nur das Brot sich dem Ende zuneigte, sondern der Kühlschrank ebenfalls in Richtung gähnender Leere unterwegs war. Also machte sich da jemand auf den Weg, um für Nachschub zu sorgen. Nicht nur das, er fragte auch dreimal nach, ob jemand gerne etwas spezielles mitgebracht hätte. Keine Reaktion, World of Warcraft war spannender. Nur ich bat um ein Packet Spinat, manchmal habe ich Lust darauf und das weiß der Herzallerliebste. Spinat macht stark, wußte schließlich auch schon Popeye.

Während der Herzallerliebste auf Beutezug durch den lokalen Supermarkt zog, wusch ich ab, hängte die Wäsche auf, die schon seit drei Tagen in der Maschine vor sich hingammelte, fegte die Küche und schmiß meine eigene Wäsche in die Maschine. In aller Ruhe und Gemütlichkeit. Und weil ich gerade ohnehin in der Küche werkelte, räumte ich auch gleich die Einkäufe weg, als meine bessere Hälfte von ihrem Beutezug zurückkehrte. Nun, bis auf mein Paket Spinat, den wollte ich schließlich verzehren. Das Paket mit dem grünen und gefrorenen Inhalt lag also friedlich auf der Anrichte und harrte der Dinge, die da kommen würden. Karsten segelte in die Küche um seine täglichen drei Liter Fanta (wahlweise auch Cola ...) in den Kühlschrank zu stellen, sah das unschuldige Produkt mit dem Blubb, erstarrte und machte auf dem Absatz kehrt.

Gut, nicht jeder mag Spinat, aber daß man damit Karsten in die Flucht schlagen kann, auf den Gedanken bin ich noch nie gekommen. Etwas perplex schaute ich hinterher, zuckte mit den Schultern und fuhr fort damit, Geschirr abzutrocknen. Da hörte ich auf einmal wüstes Geschimpfe aus dem Wohnzimmer. Darin kam häufig das Wort "Spinat" vor und es war ziemlich offensichtlich, daß es Karsten absolut nicht in den Kram paßte, daß ich vorhatte, selbigen zu verspeisen. Das Theater gibt es in gemäßtiger Form jedesmal, wenn der Herzallerliebste Tomaten, Mozarella, Schwarzbrot, Gemüse, Obst oder was ich sonst gerne esse für mich mitbringt. "Den Scheiß da ess ich nicht, wer hat denn gesagt, du sollst das kaufen?" ist Karstens Standardsatz in diesen Situationen. Diesmal war der Stein des Anstoßes ein kleines Paket tiefgefrorenen Inhalts ...

Da mir dieser Futterneid schon seit einiger Zeit auf die Nerven fällt und ich es allmählich leid bin, daß für meine etwas anderen Eßgewohnheiten sich jedesmal der Herzallerliebste verantworten muß, folgte ich dem Geschrei ins Wohnzimmer. Und der jetzt folgende Dialog ist klassisch, bei jedem Satz stelle man sich die anschwellende Lautstärke vor ...

Karsten: "... ihr hättet ja auch mal fragen können, ob wir auch was wollen!"
Ich: "Er hat Euch dreimal gefragt und keine Antwort bekommen ..."
Karsten: "Der weiß genau, ich eß das Scheißzeug nicht, vielleicht hab ich ja auch mal Bock auf was Warmes zum Mittag!"
Ich: "Woher soll er das wissen, wenn er keine Antwort von dir bekommt?"
Karsten: "Jedesmal diese Extratouren, jedesmal kriegst du, was du willst und keiner denkt mal an die anderen."
Ich: "Sicher, deswegen fragt er dich ja auch dreimal, ob ihr was spezielles haben wollt ..."
Karsten: "Es reicht mir allmählich, immer denkt ihr nur an euch!!!"
Ich: "Weil ich gerne Spinat esse, denke ich immer nur an mich? Die Logik dahinter ist mir wohl entgangen ..."
Karsten: "Das ist genau das gleiche wie mit dem Duschgel, du holst ja auch nur für dich Duschgel und der Rest kann sehen wo er bleibt."
Ich: "Klar, und die letzten zwei Flaschen Duschgel hat der Osterhase gebracht. Mein Duschgel ist teuer und ich sehe nicht ein, daß es innerhalb von einer Woche leer ist, weil keiner daran denkt, neues mitzubringen."
Karsten: "Ihr denkt trotzdem immer nur an Euch!"
Ich: "Davon, daß du es wiederholst, wird es auch nicht wahrer ..."
Karsten: "Ich hole ja schließlich auch immer für alle und denke daran, was alle wollen."
Ich: "Ach so. Soweit ich weiß, fährt der Herzallerliebste zum Einkaufen und denkt an alle anderen. Dein letzter Einkauf bei Aldi fand auch nur statt, weil gerade Carina mit ihrem Auto da war und in deinen Einkaufstüten befanden sich drei Salami, ein Glas Mayonaise, Teewurst, eine Schachtel Eier, zwei Flaschen Sprühsahne und ein tiefgefrorener Apfelkuchen. Wo hast du da an uns gedacht?"
Karsten: "Und was war mit dem Hähnchen letztens?"
Ich: "Was soll damit gewesen sein? Das hat der Herzallerliebste eingekauft, zubereitet und danach auch noch abgewaschen ..."
Karsten: "Da hätte ich auch lieber was anderes gehabt und hab dann doch gesagt, er soll Hähnchen machen!"
Ich: "Ist das mein Problem, wenn du dich nicht entscheiden kannst, was du haben willst? Ich kann mir auch selber etwas zu essen machen, wenn mir was nicht schmeckt."
Karsten: "Aber es hat du hast davon ja schließlich auch gegessen!"
Ich: "Was an dem Wort "wenn" hast du nicht verstanden? Du veranstaltest hier einen Aufstand wegen eines Pakets Spinats, sonst geht's aber noch?"
Karsten: "Das ist ja so typisch, immer machst du nur Spinat, hier gibt es zwei Leute, die überhaupt gar keinen Spinat mögen, an die denkt ihr nie! Aber Hauptsache, wir machen Sachen, die euch schmecken!"
Ich: "Also erstens macht ihr äußerst selten etwas für alle, außer den Herzallerliebsten habe ich euch noch nie für alle in der Küche kochen sehen, zweitens brauche ich mir von dir nicht vorschreiben zu lassen, was ich gerne essen möchte, drittens mache ich auch keinen Aufstand wenn ihr z.B. gerne Koteletts mit Erbsen und Sauce Hollandaise haben wollt. Ich mach mir dann Pfannkuchen oder 'ne Stulle und schrei deswegen nicht das Haus zusammen."
Karsten (mittlerweile mit dunkelroten Flecken im Gesicht und entsprechender Lautstärke): "Wenn da schon Nudeln gemacht werden, dann hätte man ja mal fragen können, vielleicht hätte ich gerne Sauce Bolognaise gehabt!"
Ich: "Da liegt ein Paket Spinat, von Nudeln hat keiner was gesagt ..."
Karsten: "Du haust das Scheißzeug doch immer auf die Nudeln!"
Ich: "Sicher, das kann man ja auch nicht so genießen ..."
Karsten: "Aber wenn ich Bolognese mache, dann immer mitfressen!"
Ich: "Ersten esse ich immer noch, zweitens kannst du nicht mal Spaghetti Bolognese kochen und drittens esse ich auch da durchaus andere Dinge."
Herzallerliebster: "Stimmt, da hat sie wohl recht."
Torsten (leise für sich): "Er wird's wohl wissen, er muß den Kram ja auch herschleppen und kochen."
Karsten (ab diesem Punkt hat man ihn wahrscheinlich auch noch im nächsten Block klar und deutlich gehört): "Das ist mir doch scheißegal, immer diese Extrawünsche, immer nur für sich holen und dann auch noch meine Fanta trinken!"
Ich: "Ist schon klar, Karsten ... Wo ich ja so liebend gerne Fanta oder Cola trinke. Falls es Dir noch nicht aufgefallen sein sollte, der Wasserkasten in der Küche, das ist in der Tat meiner ... Und ansonsten trinke ich meinen grünen Eistee oder heißen, schwarzen Tee. Diese sogenannte Diskussion wird mir allmählich zu blöde. Mit welchem Recht schreist du hier eigentlich meinen Freund an, weil der an seine Freundin denkt?"
Karsten: "Mir gehen diese Extrawünsche auf den Sack, da denkt man immer an alle und du denkst nur an dich!"
Ich: "Sicher, mit welchem Recht beanspruchst du hier eigentlich, daß ich meine Eßgewohnheiten nach deinen Vorlieben richte? Ich esse nun mal auch Dinge, die unter vierzig Prozent Fettanteil liegen. Und erzähl mir nicht noch einmal, daß der Herzallerliebste vom Einkaufen nur Dinge mitbringt, die wir beide essen."
Karsten: "Klar, du wirst immer respektlos, wenn dir die Argumente ausgehen!"
Ich: "Und wer am lautesten schreit, hat immer Recht. Respektlos? Wofür willst du bitte Respekt? Daß du jedesmal, wenn mein Freund vom Einkaufen zurück kommt, ein Theater aus Freßgier veranstaltest, weil er mir auch was leckeres mitgebracht hat? Wofür willst du bitte Respekt, so wie du mit demjenigen umgehst, der unter anderem für dich einkauft, für dich kocht, deinen Dreck wegräumt, sogar hingeht und deine Wäsche nicht nur aufhängt, sondern sie nachher auch noch zusammenlegt und sie dir bringt? Dafür willst du Respekt von mir haben? Fick Dich!"
Karsten: "Dann werde ich das jetzt auch nur noch so machen! Nur noch an mich denken und nur noch für mich das einkaufen, was ich mag!"
Ich: "Die Betonung liegt da wohl dezent auf 'selber'. Dann kannst du ja auch gleich selber kochen, abwaschen und deine Wäsche nicht erst drei Tage in der Maschine gammeln lassen."

Da warf er dann die Türe zu und wir hörten ihn in der Küche rumoren. Er brachte seine Töpfe in sein Zimmer, ebenso seinen Kasten Fanta. Da sitzt er nun seit zwei Tagen schmollend, schaut Fernsehen und kuschelt mit seinen Fantaflaschen. Nun bin ich wieder die Böse und Ungerechte. Aber a) bin ich das ja mittlerweile schon gewohnt, b) interessiert mich das auch nicht großartig und c) kann man Spinat auch in der Mikrowelle heißmachen (steht nämlich auf der Packung). Wie war das doch gleich? An anderen stört uns immer genau das, was wir an uns selber nicht leiden und erst recht nicht eingestehen können ... Respekt verdient man sich. Meinen bestimmt nicht damit, meinen Freund dafür runter zu machen, weil er beim Einkaufen an mich denkt.

Freitag, Juni 10, 2005

Sommerspaziergang oder "Ich brauch ein Kind!"

Strahlender Sonnenschein fällt durch die spärlich verhängte Balkontür, malt Muster auf die Fliesen und hebt so richtig schön die Fußspuren darauf hervor. Hier sollte mal wieder gewischt werden. Denke ich mir, doch statt nach Staubsauger und Feudel zu suchen, zieh ich lieber meine Schuhe an und genieße die angenehmen zwanzig Grad, die es heute draußen gehabt haben muß. Wozu haben wir schließlich fast genau hinter dem Haus eine, fürs Ruhrgebiet untypische, weitläufige Waldlandschaft, die bis hoch nach Dorsten reicht?

Nicht nur, daß man dort wunderbar spazieren gehen kann ... Nein, man kann sich dort auch wundervoll verlaufen. Das kommt davon, wenn man gedankenverloren einfach durch die Gegend spaziert, ohne darauf zu achten, wohin genau man eigentlich läuft. Schöne kleine Lichtung gefunden - auch wenn ich nicht mehr genau weiß, wo eigentlich. Im hohen Gras gelegen und die Wolken hoch oben vorbei segeln gesehen, die Falken beobachtet, den Vögeln zugehört und mich vom Rauschen der Bäume im Wind davon tragen lassen. Seele baumeln lassen und vor mich hin geträumt - ab und zu muß das sein.

Ab und zu muß man mich wohl auch daran erinnern, warum ich eigentlich auf der Welt bin. Ist doch logisch, ich bin weiblich. Und was tun Frauen? Genau, sie kriegen Kinder. So sah das wenigstens Klein-Maximilian auf dem Kinderspielplatz, den ich überqueren mußte (nachdem ich endlich, endlich den Weg nach Hause wieder gefunden hatte). Mit in die Seiten gestemmten Fäusten stellte sich der Dreikäsehoch in meinen Weg und sagte laut, sehr laut:

"Das hier ist ein Kinderspielplatz und wenn Du keine Kinder hast, dann darfst Du hier nicht spielen!"
Ich (ziemlich erstaunt): "Und, was machen wir da jetzt?"
Dreikäsehoch: "Ist doch einfach. Du mußt nach Hause gehen und Deinem Freund sagen, er soll Dir schnell ein Kind machen. Dann kannst Du wiederkommen und darfst auch hier spielen!"

Na, wenn das so ist ... Der Oma von Klein-Maximilian war das Ganze furchtbar peinlich und sie entschuldigte sich etliche Male bei mir, der Kleine wisse ja nicht, was er da sagen würde. Während ihre Gesichtsfarbe immer mehr der einer reifen Tomate entsprach, blieb mir vor Lachen fast mein Bonbon im Halse stecken. Also Leute, geht und laßt Euch Kinder machen, damit Ihr auch weiterhin auf dem Kinderspielplatz spielen dürft ...