Dienstag, Oktober 26, 2004

Momentaufnahmen

Manchmal gibt es im Leben Momente, die besonders sind. Momente, in denen man merkt, daß man lebt und nicht einfach nur aufsteht, den Alltag meistert und abends wieder einschläft. Momente, in denen ich einfach "bin" und merke, wie das Leben durch meinen Körper rast. Momente, in denen ich frei bin und mich als Teil dieser Welt begreifen kann. Momente, die man nicht mit der Kamera einfangen oder mit Worten beschreiben kann.

Auf dem Gasometer in Oberhausen zu stehen während es nieselt und dickbäuchige, tiefhängende Wolken sich widerwillig vom Wind vorwärts treiben lassen. Mir vom Wind mit stürmischen Böen das Haar zersausen lassen und mit ausgebreiteten Armen dort oben stehen. Das Rauschen meines eigenen Herzschlages zu hören und zu fühlen, wie das Leben um mich und in mir pulsiert. Ich liebe das Gefühl, als ob mich der Wind jeden Moment davon tragen könnte während sich unter mir das Ruhrgebiet ausbreitet. Dann kann ich fliegen, loslassen und mit dem Wind über den Himmel toben. Und ich fühle, ich "bin" einfach nur.

Im Sommer auf meiner versteckten Lieblingslichtung zu liegen und die Falken zu beobachten, die dort oben ihre Kreise ziehen. Kleine Wolken gemächlich über den blauen Himmel segeln zu sehen und das Gefühl sonnenwarmer Erde unter mir zu spüren. Den Geruch des Grases, der mich in der Nase kitzelt, zu riechen und den Gesang der Vögel zu hören während die Bäume sich leise in der Sommerbrise wiegen und mir ihre Geschichten zu wispern. Dann kann ich zur Ruhe kommen, den Herzschlag von Mutter Erde wahrnehmen und mich in ihren unendlichen Schoß fallen lassen. Und ich fühle, ich "bin" einfach nur.

Von einem ausgedehnten Spaziergang durch herbstliches oder winterliches Wetter zu kommen, mich mit einer warmen Decke aufs Sofa zu kuscheln und Tee zu trinken während die Lichter der Kerzen weiches Licht verbreiten. Dazu ausdrucksstarke Musik zu hören oder ein gutes Buch zu lesen und mich in fremde Welten entführen zu lassen während sich draußen die Nacht herabsenkt. Dann kann ich mich zurückziehen und die Welt einfach ausblenden. Und ich fühle, ich "bin" einfach nur.

In Rußland schweigend am Strand der Wolga zu liegen und sich den Walkman mit jemandem zu teilen während sich über einem der klarste Sternenhimmel erstreckt. Sich leise etwas zu wünschen wenn eine Sternschnuppe einen majestätischen Bogen beschreibt bevor sie verglüht. Mit den Zehen den Sand fühlen und sich als Teil dieser Welt begreifen während man Pink Floyd lauscht. Darüber nach zu denken, ob die Sterne, die man zu sehen glaubt, noch leuchten oder schon längst erloschen sind und wir nur das Licht sehen, das sie einmal ausgestrahlt haben. Versuchen, Sternbilder zu erkennen und sich zu fragen, ob es dort draußen in dieser Unendlichkeit noch irgendwo Leben gibt. Und ich fühle, ich "bin" einfach nur.

Über Trödelmärkte zu laufen und das Treiben zu genießen. Die Menschen zu beobachten, wie sie feilschen und Dinge begutachten. Sich zu fragen, was diese Dinge, die dort verkauft werden, in ihrem Leben schon alles gesehen haben mögen und sich Geschichten aus zu denken, die sie erzählen könnten. Dann kann ich spüren, wie vielfältig das Leben ist und wie einzigartig jeder Mensch. Und ich fühle, ich "bin" einfach nur.

Vom Sommerregen überrascht zu werden während man im Gras liegt und den Vögeln lauscht und die Regentropfen auf den Armen zu spüren. Der spontanen Eingebung nach zu gehen, wie sich warmer Sommerregen wohl auf der Haut anfühlen mag. Sich ziemlich unbekleidet in den Regen zu stellen und die Augen zu schließen während der Regen mit schweren Tropfen auf den Körper prasselt. Das Gesicht dem Himmel entgegen zu wenden und sich mit geschlossenen Augen und ausgebreiteten Armen langsam um die eigene Achse zu drehen. Und ich fühle, ich "bin" einfach nur.

All das sind oder waren Momente, in denen ich all das vergessen kann, was angeblich so wichtig ist in unserem Leben. Es ist intensiv und manchmal mit soviel Gefühl verbunden, daß man nicht weiß, wohin damit jetzt eigentlich. Dann ist es nicht wichtig, wer oder was ich bin, woher ich komme oder wohin ich gehen mag. Einzig wichtig ist das Gefühl, zu leben, intensiv zu erleben, daß ich einfach nur "bin". Ich kann diese Momente nicht festhalten. Nicht in Worten oder Bildern. Ich trage sie im Herzen mit mir und wenn ich die Augen schließe, dann kann ich Wind fühlen, den Geruch des Waldes riechen, Wasser auf meiner Haut spüren und den Sternenhimmel sehen während ich mich daran erinnere, daß Leben soviel mehr ist als nur morgens aufzustehen, seinen Alltag zu meistern und dann wieder ins Bett zu gehen. Sie sind wie Geschenke, die dann auftauchen wenn man sie am wenigsten erwartet und die einen daran erinnern, was "zu leben" bedeuten kann.

Montag, Oktober 25, 2004

Von kleinen pelzigen Dingen, ...

... die unter dem Bett herumlungern und des Nachts ins Bett gekrabbelt kommen zum Kuscheln. Als Vorwarnung: Solltet ihr über schwache Nerven, einen nervösen Magen oder Herzkrankheiten leiden, lest nicht weiter. Ihr wurdet gewarnt, also verschont mich mit bösen e-mails.

Es trug sich heute zu, daß ich voller Erstaunen einen hektisch mit Müllsäcken herum wedelnden S.D. (mit Sicherheit werd ich hier keine Namen verwenden ...) in seinem Zimmer sah und von der Neugier gepackt näher schlich. Fehler, fataler Fehler. Noch folgenschwerer war die erstaunte Frage, was er denn da treiben würde. "Aufräumen". Aha, man stelle sich auf den Müllberg in seinem Zimmer, wedel mit Müllsäcken und nenne es dann Aufräumen. Auch gut. "Ich weiß nicht wo ich anfangen soll," klang es mir verzweifelt entgegen. "Ich würd als erstes mal das Fenster aufmachen," entgegnete ich und stiefelte vorsichtig quer durchs Zimmer um zu demonstrieren, daß der Griff daran kein Deko-Element ist. "Kannst du mir nicht helfen?"

Damit hatte ich mein Schicksal für den Nachmittag besiegelt. Manchmal hab selbst ich sarkastisches Miststück ein weiches Herz und dieser arme, verlorene Mensch auf seinem Müllberg rührte mich. Und sooo schlimm sah es ja nicht aus - dabei hätte ich es eigentlich besser wissen sollen. So begann ich also friedlich damit, Müll in Papiersäcke zu schaufeln während auf Viva ein Depeche Mode Special lief.

Während ich so Müll schaufelte und nebenbei das Aufräumen erklärte, ignorierte ich sehr ausdauernd das Geächze und Gestöhne ala "das nimmt ja gar kein Ende" .... "Wenn du wüßtest, das ist ja noch harmlos hier ..." dachte ich mir und ließ meine Gedanken ein paar Monate zurück schweifen.

Genauer gesagt zu einem Tag im Juli, als ich nichtsahnend auf dem Balkon saß und die Sonne mir auf den Bauch schien. Plötzlich wurde die Stille gestört. "Kannst du mir einen Gefallen tun?" schallte es in meine Phantasiewelt, in der ich gerade an einem weißen Strand lag und die Sonne genoß. "Huh? Was denn?" fragte ich desorientiert zurück. Nicht schön, wenn man gerade von schönen Männern träumt und von besagtem S.D. mit einer solchen Frage unsanft in die Realität zurück gerissen wird. "Hmm, naja, also ..." druckste der Mensch herum. "Sach schon, wat willste?" ich wollte unbedingt wieder an meinen Traumstrand und zu den schönen Männer zurück. "Naja, ich hab mir gedacht, ich geb dir Geld und du könntest dafür bei mir aufräumen?" Es stand immer noch verlegen da und diese Frage war eindeutig keine akustische Halluzination. "Wie meinen? Ich. bei. dir. aufräumen? Kommt deine Mama oder was?" nicht nett, ich weiß ... "Nee, aber irgendwie riecht es da komisch und naja, sieht halt scheiße aus ..." antwortete es zögerlich. Man beachte meine erstaunliche Selbstbeherrschung, ich bin nicht vor Lachen vom Balkon gekullert ... Das war eindeutig die Untertreibung des Jahres.

Da ich ohnehin nicht wirklich irgendwas Wichtiges vor hatte und mir dachte "Na gut, was solls ... Jeder Mensch sollte wenigstens einmal in einem sauberen Zimmer schlafen, daß sich nicht in einem Hotel befindet" willigte ich ein. Was zur Folge hatte, daß ich am nächsten Vormittag mit Wischlappen, Putzzeug, Staubsauger, Müllsäcken und was frau noch so braucht bewaffnet in der Tür des zu säubernden Zimmers stand und mich fragte "Wie in aller Welt kann man dazu eigentlich ja sagen?" Leider keine Digitalkamera zur Hand gehabt, drastischere Vorher-Nachher-Fotos eines Wohnraums wären bestimmt schwer zu finden gewesen.

Der Fußboden war nicht mehr zu sehen, er ertrank unter leeren Cola-Flaschen, Pizzakartons, haufenweise zerknüllter Taschentücher, dreckigen Socken, wichtigen und weniger wichtigen Papieren, DVD's, Videos, Playboys, Fernsehzeitschriften und was man sich noch vorstellen kann (oder besser nicht). Etwas fassungslos riß ich als erstes das Fenster auf, der Müllhaufen strömte einen etwas strengen Geruch aus, und überlegte dann, wo zur Hölle ich hier anfangen sollte? Kurzerhand nahm ich den Besen und schob den ganzen Kram in eine Ecke. Er kam auch Gott sei Dank nicht zurück gekrabbelt.

Mitleidig beobachtet von zwei Spinnen, die in ihren verstaubten Netzen saßen, fing ich also an zu sortieren. Müll wie schimmelige Pizzakartons, plattgetretene Tüten mit Pizzabrötchen, bergeweise benutzte Taschentücher (dabei war S.D. gar nicht erkältet ...), Zigarettenkippen inklusive Schachteln, Buttermilchdosen, MacDreck Verpackungen mit braun-grünem Fell innendrin und so weiter und so fort in den Sack, Pfandflaschen in diesen Sack, Klamotten nach rechts, wichtige Papiere nach links und sonstiger Krempel vor den Fernseher. Drei Stunden, vier pralle Müllsacke und 100 Pfandflaschen später war ich wenigstens schon einmal so weit, den Müll rausschaffen zu können. Besser sah es dennoch nicht wirklich aus. Bett abziehen und zum Lüften auf den Balkon bringen, Papiere in einen großen leeren Pappkarton sortieren, Schränke abwischen, Kleiderschrank auswischen und die von seiner Mama liebevoll gewaschene Wäsche zusammenlegen und ordentlich einsortieren, einen Platz für die Playboy-, FHM-, Men's Health und Matador-Sammlung finden, Krimskram sortieren und in die saubergemachten Schränke einräumen, Wollmäuse in der Größe von Kanalratten fangen, kilometerlange Spinnweben von den Wänden und Decken fegen hat mich dann noch zwei Stunden gekostet ...

Wer dachte, es wäre ein Ende abzusehen, weit gefehlt. Ich dachte mir, gut, die Matratze kann mal vom Bett, dann saugen wir die mal ab ... Ich hätte es lassen sollen, unter dem Bett erwischte selbst mich das Grauen. Noch mehr Taschentücher, Pfandflaschen, Kartons und Pizzabrötchen mit denen man Löcher in die Wand hätte schießen können. Also noch ein Müllsack (Nummer fünf wohlgemerkt!) und wieder Müll geschaufelt. Teilweise sah der Kram aus, als würde er da schon ein halbes Jahr liegen. Ging alles noch, war alles noch mit meinem Magen vereinbar.

Bis ich das "Objekt" fand. Es war rund. Die untere Hälfte aus weißem Styropor, abgedeckt mit einer Plastikhaube. Die undefinierbare Masse darin schillerte von weißlich-grün bis kackbraun. Es war mir unheimlich und selbst die Spinnen verzogen sich seinem Anblick. Hatte ich das Ergebns eines fehlgeschlagenen Experiments vor mir, unter dem Bett intelligentes Leben zu züchten? Ratlos schaute ich darauf und versuchte auszumachen, worum es sich hier mal gehandelt haben könnte. Ich stubste es vorsichtig mit dem Fuß an. Keine erkennbare Reaktion. Es könnte sich dabei um einen Salat mit Käseröllchen gehandelt haben rätselte ich. Ich war kurz davor, das pelzige Ding in Plastik zu fragen "Ja, wer bist duuu denn?" Ich hatte Angst, es würde mir tatsächlich antworten ... Also packte ich das "Objekt" mit spitzen Fingern trotz Handschuhen, es hätte ja beißen können, beförderte es in den Müllsack und widerstand gerade eben dem unbändigem Drang, wild auf dem Müllsack herumzuspringen um ja sicherzustellen, daß das "Objekt" nicht wieder hervorgekrabbelt kam. Ich hätte mit unkontrolliertem Gehoppse nachher nur den Plastikdeckel beschädigt und somit den Geruch freigesetzt. Ich entschloß mich dafür, den Sack zu zu knoten. Fünffach. Und tief in der Mülltonne zu vergraben - es ist ein weiter Weg vom Keller bis in den vierten Stock für ein kleines pelziges Ding ... Wir haben es auch nicht wieder gesehen ...

Noch ein bißchen Krimskrams in Schränke räumen, Betten beziehen, Staubwischen, Fenster putzen und dann die Flut von DVD's sortieren. Beim Sortieren fiel mir auf, der Gute besaß eine ziemlich große DVD-Sammlung an Pornos ... die ich auch brav alle wieder in ihre Hüllen sortierte, bis es mir wie Schuppen von den Augen fiel. Aaaaaaaargh, die Taschentücher, die ich gerade so beherzt in den Müll verbannt hatte, hatten wahrscheinlich viel in ihrem kurzen Leben gesehen. Eine verschnupfte Nase wird sich kaum darunter befunden haben.

Komisch, als ich endlich, endlich fertig war und keiner das Zimmer mehr wieder erkannte (ich glaube heute noch, alles in den Container kloppen und Zimmer neu einrichten wäre schneller gegangen), flüchtete ich unter die Dusche. Ich hatte das heftige Verlangen, heiß und ausgiebig zu duschen ... Woher das wohl kam? Acht, neun Stunden Hardcore aufräumen hinterlassen auch bei mir ihre Spuren und so schlief ich selig, als S.D. von der Arbeit nach Hause kam. War gesünder für ihn. Fairerweise muß man sagen, er hat sich nicht lumpen lassen. Sollte er mir, nachdem ich ihm heute mal wieder geholfen habe, allerdings noch einmal einen Vortrag über Ordnung und Sauberkeit halten, dann werde ich es mir sparen, hektisch aufzuspringen und mindestens einen, besser zwei Kilometer, zwischen ihn und mich zu bringen bevor ich in Gelächter ausbreche, daß Tote erwecken könnte.

Mädels, sollte Euch jemals jemand darum bitten, bei einem männlichen Wesen aufzuräumen, macht den PC an, kommt her und lest ... Und dann dreht Euch um und sagt laut aber bestimmt "Nein". Glaubt mir, es gibt Dinge, die Ihr über Männer einfach nicht wissen wollt ... Ich habe das Grauen gesehen, das dort lauern kann und habe es überlebt, um Euch davor warnen zu können ... Vertraut mir, es ist schrecklicher als diese Worte vermuten lassen ;) Und jetzt entschuldigt mich, ich werde nach einer Selbsthilfegruppe für masochistisch gestörte Menschen im Ruhrpott suchen, die mir vielleicht die Frage beantworten können, warum zur Hölle ich mich auf sowas einlasse ...

Freitag, Oktober 15, 2004

Das Lächeln der Mona Lisa

Nun denn, aus irgendeinem mir nicht näher bekanntem Grunde ist heute wieder eine dieser Nächte, wo ich mich von einer Seite auf die andere drehe, Schäfchen zähle, ein Glas Milch nach dem anderen trinke und ähnliche Rezepte gegen Schlaflosigkeit anwende. Eher erfolglos - sonst würd ich ja nicht schon wieder hier herumtippen ;)

Habe einen etwas älteren Text gefunden, ihn mühsam in dieses Maschinchen gespeist und umgearbeitet. Wie gesagt, ein älterer Text und die Originalfassung gefiel mir nicht mehr so. Und nein, dies ist kein männer feindlicher Text, auch wenn er so rüberkommen mag. Ich verstehe unter "Feminismus" und "Emanzipation" immer noch etwas anderes als Alice Schwarzer. Aber darüber können wir ein andermal diskutieren wenn gewünscht ... Ich wünsche Euch viel Spaß mit dieser Erzählung.


"Mona Lisa" von Leonardo da Vinci

Das Lächeln der Mona Lisa

Hier stehe ich nun, ein Glas in der Hand, am geöffneten Fenster und schaue auf die Stadt. Die Stadt bei Nacht, tausend funkelnde Lichter sprechen von leben, lieben, streiten, Alltag und Außergewöhnlichem. Der Hauch von Abenteuer in der romantischsten Stadt der Welt: Paris. Mir ist gerade gar nicht romantisch zumute. Ich stehe alleine hier und meine einzige Gesellschaft ist ein Glas Whiskey, ohne Eis. Golden schimmert der Whiskey im Glas und ich zünde mir eine Zigarette an, setze mich aufs Fensterbrett und entlasse kleine Rauchkringel in die Nacht. Diese Stadt pulsiert und schäumt über vor Leben, selbst hier oben im fünften Stock spüre ich ihren Herzschlag noch. Er schlägt seit Jahrhunderten, gleich und unverändert, Tag und Nacht.

Meine sich überschlagenden Gedanken kommen allmählich zur Ruhe nach einem anstrengenden Tag. Sightseeing, Shopping, Kultur, Geschichte - sie haben meinen Geist mit tausend Eindrücken überschwemmt. Langsam hebt sich etwas aus diesem Gedankenkarussel ab. Ein einzelnes Bild, das im "Musée du Louvre" hängt und weltberühmt ist und zu dem meine Gedanken zurückkehren, wie so oft heute. Eigentlich ist Kunst nicht so mein Ding, aber ein Besuch im Louvre gehört einfach zu einem Paris-Aufenthalt, ebenso wie das Besichtigen des Eifelturms oder Baguettes und Croissants. Aber ich hatte nicht gerade die Wahl, der Besuch stand auf dem Programm der LK-Fahrt. Ich stapfte also eher unmotiviert durch dieses Museum, schenkte den ausgestellten Kunstwerken eher wenig Beachtung und fragte mich, wie lange wir hier noch verweilen wollten. Da geschah etwas, womit ich nicht gerechnet hatte. Mein Blick wurde wie magisch angezogen von einem Kunstwerk, das weltberühmt ist. Auf Postkarten, als Kunstdruck, in Kalendern und Lehrbüchern ist es zu finden. Dabei zeigt es nur eine Frau, die lächelt. An sich gar nichts Welt bewegendes. Sicher, ich hatte Leonardo da Vincis "Mona Lisa" auch schon in verschiedenster Ausführung zu Gesicht bekommen. Aber nie hat sie mich fasziniert, nicht so wie es heute geschehen ist.

Was ist so besonders an dieser Frau, die lächelt? Und warum geht sie mir nicht mehr aus dem Kopf? Dieses Lächeln, es ist unergründlich, geheimnisvoll, nicht zu entziffern. Ich stand vor diesem Bild und fragte mich, was diese Frau gedacht haben mochte, was dieses Lächeln ausgelöst hatte und was Leonardo da Vinci wohl in ihr gesehen haben mochte. Es hat etwas bekanntes, als ob man es schon irgendwo gesehen hat. Wie eine alte Schulkameradin, die man nach Jahren wieder trifft und nicht wirklich erkennt. Sie ist nicht einmal wirklich hübsch, wenigstens empfinde ich sie nicht als hübsch oder schön. Ich bin in dieses Lächeln versunken, bin seinem Geheimnis erlegen.

Den restlichen Tag stürmten weitere Eindrücke auf mich ein, Eindrücke von Paris. Aber Mona Lisa hat mich nicht losgelassen und ich grübel noch immer über ihr Lächeln nach. Sie ist hier und mir erscheint es, als ob sie über der Stadt schweben und mich auslachen würde. "Du kommst ja doch nicht dahinter," scheint sie mich zu verspotten. Ich versuche unwillig, die Gedanken an sie zu verdrängen. Es gelingt mir nicht. Leise seufzend gieße ich Whiskey in mein mittlerweile leeres Glas und entzünde mir noch eine Zigarette. Wo habe ich dieses Lächeln schon einmal gesehen? Schließlich muß es einen Grund geben, warum es mir so bekannt vorkommt. Ich kenne nicht einmal jemanden, der auch nur entfernt Ähnlichkeit mit Mona Lisa hätte. Ich bin in Paris, der romantischsten Stadt der Welt, der Stadt der Liebe, und alles womit ich mich beschäftigen kann, ist der Gesichtsausdruck einer Frau, die schon lange tot ist und deren Geheimnis ein begnadeter Künstler auf Leinwand gebannt und es somit unsterblich gemacht hat.

"Was willst Du mir sagen, mitteilen, offenbaren?" leise sende ich den Gedanken in die Nacht hinaus, wo er sich langsam auflöst, so wie meine Rauchkringel. Von der Stadt mit ihren funkelnden Lichtern erhalte ich keine Antwort. Ich habe es auch nicht wirklich erwartet, dieses Rätsel muß ich alleine lösen. Ich rufe mir das Bild vor mein inneres Auge, warte geduldig, bis es in aller Klarheit in meinem Geiste zu erkennen ist. Ich studiere wieder Mona Lisa, den Ausdruck in ihren Augen, ihre Haltung und dieses vermaledeite Lächeln. Und plötzlich ist sie da, die Erkenntnis. Sie schlägt ihre eiskalten Klauen um meinen Verstand. Dieses Lächeln ist nicht einzigartig und es ist mir schon so oft begegnet, daß es Alltag geworden ist. Mona Lisas Lächeln kann man überall erblicken. Im Gesicht der jungen Mutter, die im Supermarkt mit zwei Kindern steht und sich von einer ungehaltenen Verkäuferin maßregeln lassen muß, daß Ü-Eier nicht im Laden verzehrt werden dürfen. Im Gesicht der berufstätigen Frauen, die abends erschöpft mit der Bahn nach Hause fahren mit dem Gefühl, niemand schätzt ihre Arbeit. Im Gesicht der Frauen, die gefangen sind in Ehen, die sie nicht glücklich machen oder deren Männer sie nicht als gleichwertigen Partner, sondern als Köchin und Putzfrau ansehen.

Mona Lisa ist in jeder von uns. Ihr Lächeln kann man in jeder Frau erblicken, die aufgegeben hat sich zu wehren. Die sich in ihre seit Jahrhunderten angestammte Rolle hat zwängen lassen. Die demütig lächelt und sich unterordnet. Wir leben in einer modernen Zeit, wir dürfen wählen, studieren, Berufe ausüben und gleichzeitig Mutter sein. Und dieses Bild ist alt, stammt aus einer längst vergangenen Zeit. Unsere Zeit dagegen ist doch modern. Aber ist sie das wirklich? Ein Bild aus vergangenen Zeiten und doch, Mona Lisa lebt immer noch in uns. So unerschütterlich wie der Herzschlag dieser Stadt, der seit Jahrhunderten stetig und unverwüstlich schlägt.

Erschrocken von meinen eigenen Gedanken lasse ich das Glas fallen, der Whiskey versickert unbeachtet im teuren Teppich. Ich stürze ins Bad, vor den Spiegel und betrachte kritisch, was mir entgegen schaut. Trage auch ich das Lächeln der Mona Lisa im Gesicht? Gehöre auch ich zu denen, die aufgegeben haben, die sich nicht wehren, die demütig akzeptiert haben was so unerschütterlich erscheint? Ich schaue lange in den Spiegel und suche nach der Mona Lisa in mir bevor ich zurückkehre ans Fenster, mein Glas aufhebe und mich wieder auf die Fensterbank setze. "Hast du verstanden?" scheint mich die Stadt zu fragen. Ich denke sehr lange nach, bevor ich meine Antwort in die Nacht schicke.

© Mirtana, überarbeitet Herbst 2004

Sonntag, Oktober 03, 2004

Ungezähmt

Die Gefühle aus Träumen geboren,
Gehegt, gepflegt, niemals verloren.
Bewahrt in meiner Seele für alle Zeit,
Ganz nah und doch unendlich weit.


Bin so furchtbar weit gegangen,
Nur für mein brennendes Verlangen.
Erinnerung, die nicht verblasst,
Hab meine Chance dazu verpasst.

Kein schlechtes Gewissen, das mich plagt
Der Wolf in mir ist wieder auf der Jagd.
Niemals bin ich mir selber treuer
Als beim wilden Tanz ums Feuer.

Manches Mal tief verrannt,
Dabei schmerzhaft verbrannt.
Lass es doch nicht bleiben,
Ergeb mich in mein Treiben.

Heimlichkeit gestohlener Stunden
schlagen keine tiefen Wunden.
Sie wecken den Wolf in mir,
Er ist auf der Jagd nach Dir.

Wölfe lieben es zu spielen.
Gleich, ob mit einem oder vielen.
Stimm ein in ihren Mondgesang
Der seit Anbeginn der Zeit erklang.

Geb meinen Gefühlen einfach nach,
Fühl, der Spieltrieb, er wird wach.
Er treibt mich drängend von hier fort,
Zum nächsten Feuer, zum nächsten Ort.

Irgendwo werde ich Dich finden,
Lieben und nicht an mich binden.
Es wird keine Grenzen geben,
Nur unser ungezähmtes Leben.


© Mirtana, Herbst 2004

Samstag, Oktober 02, 2004

The Invitation

It doesn’t interest me what you do for a living. I want to know what you ache for and if you dare to dream of meeting your heart’s longing.

It doesn’t interest me how old you are. I want to know if you will risk looking like a fool for love, for your dream, for the adventure of being alive.

It doesn’t interest me what planets are squaring your moon... I want to know if you have touched the centre of your own sorrow, if you have been opened by life’s betrayals or have become shrivelled and closed from fear of further pain.

I want to know if you can sit with pain, mine or your own, without moving to hide it or fade it or fix it.

I want to know if you can be with joy, mine or your own, if you can dance with wildness and let the ecstasy fill you to the tips of your fingers and toes without cautioning us to be careful, be realistic. Remember the limitations of being human.

It doesn’t interest me if the story you are telling me is true. I want to know if you can disappoint another to be true to yourself. If you can bear the accusation of betrayal and not betray your own soul. If you can be faithless and therefore trustworthy.

I want to know if you can see Beauty even when it is not pretty every day. And if you can source your own life from its presence.

I want to know if you can live with failure, yours and mine, and still stand at the edge of the lake and shout to the silver of the full moon, "Yes."

It doesn’t interest me to know where you live or how much money you have. I want to know if you can get up after the night of grief and despair weary and bruised to the bone and do what needs to be done to feed the children.

It doesn’t interest me who you know or how you came to be here. I want to know if you will stand in the centre of the fire with me and not shrink back.

It doesn’t interest me where or what or with whom you have studied. I want to know what sustains you from the inside when all else falls away.

I want to know if you can be alone with yourself and if you truly like the company you keepin the empty moments.

© Oriah Mountain Dreamer , from the book The Invitation published by Harper San Francisco, 1999