Dienstag, Mai 31, 2005

Fang das Stöckchen!

Da hab ich mich so erfolgreich vor Baumkriegerins Stöckchen versteckt, da erlegt mich Niela gekonnt damit. Ich seh's ja ein, ich kann dem Bücherstöckchen wohl nicht so wirklich entkommen. In Ordnung, here we go - beschwert Euch nicht, Ihr habt es so gewollt ;)

1. Stell Dir vor, Du wärst ein Buch in "Fahrenheit 451" - Welches würdest Du dann gern sein?

Auch ich hab den Roman nicht gelesen bzw. den Film nicht gesehen, kenne nur die Inhaltsangabe. Mich zu zwingen, nur ein Buch erhalten zu dürfen, wäre eine sehr gute Methode, mich entweder in den Wahnsinn zu treiben oder mich für Jahre zu beschäftigen, um eins auszuwählen. Ich wär wahrscheinlich kein Buch, sondern gleich eine ganze Bibliothek, damit ich all meine Lieblinge der klassischen Literatur, der antiken Philosophie und der Fantasy erhalten könnte. Eine Welt ohne Shakespear, Goethe, Rilke, Hemingway, Storm, Hesse, Twain, Böll, Brecht, meine Philosophen von der Antike bis heute und meine Fantasyautoren Tolkien, Williams, Pratchet, Adams und Eddings wäre verdammt langweilig ...

2. Warst Du schon mal in einen fiktionalen Charakter (aus einem Buch) verknallt?

Nicht, daß ich wüßte. Ich verliebe mich mit den Charakteren, ich leide, lache, weine, freue mich mit ihnen, bin neugierig wenn sie es sind, bin mit ihnen auf der Suche, bin mit ihnen überrascht und manchmal wäre ich gerne wie sie.

3. Das letzte Buch, das Du gekauft hast?

Das ist nun wirklich schon ein Weilchen her, ich bin mehr jemand, der den halben Bibliotheksbestand nach Hause schleppt als Bücher zu kaufen. Erstens fehlt mir dazu meist das notwendige Kleingeld und zweitens wüßte ich irgendwann nicht mehr, wohin mit all der Literatur. Lediglich meine absoluten Favouriten hab ich zu Hause und davon auch die meisten auf Englisch. Die hab ich von diversen England Aufenthalten mitgebracht, weil sie dort doch immer noch billiger sind als hier in Deutschland.

4. Das letzte Buch, das Du gelesen hast?

"Die verborgenen Früchte" von Anais Nin. Wobei die Frage mehr lauten müßte, "das letzte gute Buch". Und das war definitiv "Das Kartengeheimnis" von Jostein Gaarder, den ich übrigens auch sehr liebe - sonst würde ich seine Werke nicht immer wieder von Neuem lesen.

5. Was liest Du gerade?

Zum einen ist das gerade "Der Schimmelreiter" von Theodor Storm, vorausgesetzt ich bin in der Stimmung dafür. Wenn ich die Ruhe und Konzentration dafür habe, lese ich "Die drei Kritiken" (in vier Bänden) von Immanuel Kant, wobei ich damit nur sehr langsam vorwärts komme. Und sonst, die Regelwerke und Regionalbeschreibungen von DSA (Rollenspiel), meist auf der Toilette. Ja, ich bin eine "Auf-der-Toilette-Leserin" ;)

6. Fünf Bücher, die Du mit auf eine einsame Insel nehmen würdest?

Nur fünf? Schreck, dann schon mal keinen Harry Potter. Den Herrn der Ringe brauche ich nicht mitnehmen, den hab ich so oft gelesen, daß ich ihn bald wirklich auswendig kenne.
- "Sakrileg" von Dan Brown. Schon viele gute Kritiken von dem Buch gelesen und steht ohnehin auf der "Noch zu lesen" Liste. Allerdings in Englisch bitte.
- Eine Gesamtausgabe der Bücher von Tanja Kinkel (ich weiß, ich schummel hier). Lese ihre Bücher unheimlich gerne, weil sie unter anderem sehr fundiert recherchiert sind und sie packende Handlungen auf die Kette bekommt.
- "Sophies Welt" von Jostein Garder. Das Buch liebe ich einfach.
- "Per Anhalter durch die Galaxis" von Douglas Adams. Alle fünf Bände in einer Gesamtausgabe, wenn ich schon auf einer einsamen Insel festhänge, will ich wenigstens was zu lachen haben. Auch in Englisch bitte - die deutsche Übersetzung ist, nun ja, nett ...
- Ein Ratgeber für das Überleben in der Wildnis, sonst komme ich ja gar nicht dazu, die mitgeschleppten Bücher zu lesen ;)

Ach ja, weiter reichen muß ich das Stöckchen ja auch noch. Hmm, wer mag, kann es sich mitnehmen. Ist das ein Deal? Ich ziel nämlich so wahnsinnig schlecht ;)

Montag, Mai 30, 2005

Saratov - Russland (Fortsetzung)

Draußen geht gerade das erste Sommergewitter dieses Jahres nieder, in regelmäßigen Abständen erleuchten Blitze das Wohnzimmer, es grummelt und kracht, der Regen prasselt gegen die Fenster und es der Geruch nach Regen zieht durch die geöffnete Balkontür. Mein Tee ist schon lange kalt, der Wodka wird allmählich warm und ich hänge meinen Erinnerungen nach, versuche zu sortieren, was ich im Sommer 97 erlebt, gesehen und gefühlt habe. Versuche, mich an Namen und Gesichter zu erinnern und frage mich, was diese Menschen jetzt machen. Ein wenig Schwermut hängt im Raum und ich fahre noch einmal durch Moskau.

Genau so, wie wir es am Tag nach unserer Ankunft auf russischem Boden taten. Nach einem Frühstück, das man bestenfalls als ausreichend bezeichnen kann, fuhren wir mit der Metro zum Roten Platz. Jede Metro Station im Zentrum Moskaus ist anders gestaltet. Früher einmal sprachen sie von üppiger Pracht mit ihren Marmorsäulen und Statuen und in jeder Station lief ein offiziell aussehender Mensch herum, der darauf achtete, daß nicht fotografiert wurde. Die Bahn selber war verdammt schnell, es war stickig in den Wagen, es zog und es klapperte. Einstmals der ganze Stolz Moskaus, die als eine der ersten Städte über eine U-Bahn verfügte, ist das einstige Prestige-Objekt wie so viele Dinge in Rußland mehr eine täglich genutzte Antiquität. Der Blick in die Gesichter der Fahrgäste ist einer von vielen Eindrücken, die man nicht so schnell vergißt. Gleichgültigkeit und vom Leben gezeichnete Gesichter. Kaum einer schenkte uns mehr als einen flüchtigen Blick, obwohl man uns ansah, daß wir keine Russen waren. Ich hab mich damals gefragt, wieviele dieser Menschen wohl die Metro nutzten, um zur Arbeit zu fahren und wieviele überhaupt Arbeit hatten.

Ankunft Roter Platz und da begegnete ich zum ersten Mal in meinem Leben dem Phänomen der fähnchenschwenkenden Fremdenführer. Ich hatte mich auf das Lenin-Mausoleum gefreut, doch es war Montags, da hatte der Gute Ruhetag. Ärgerlich. Auch das Wetter ließ uns im Stich, es war warm, drückend und der Himmel wolkenverhangen. Bei der Führung durch den Kreml, der nicht wie das Mausoleum Montags Ruhetag hat, überall Männer in Uniform mit der Kalaschnikov im Arm. Wir werden angewiesen, uns nicht zu entfernen und auf den Bürgersteigen zu bleiben. Aus gutem Grund, einer unserer Gruppe stolpert und tritt versehentlich mit einem Fuß auf die Straße und aus den Augenwinkeln ist zu sehen, daß einer der Uniformierten in Bewegung gerät und gestikuliert, er solle auf dem Bürgersteig bleiben. Von dem, was uns die Stadtführerin erzählt hat, ist mir so gut wie gar nichts im Gedächtnis geblieben. Woran ich mich noch erinnern kann, das ist die riesige Glocke, die bei einem Feuer (?) vom Turm stürzte und zerbarst. Imposanter Anblick dieser mehr als mannshohen Glocke, die mehrere Tonnen wiegt und auch heute noch da steht, wo sie damals heruntergestürzt ist. Was ich auch noch vor Augen habe, das ist S., wie sie mit Pelzmütze und Hardrock Cafe Moskau T-Shirt (das sich im Kyrillischen Mockba schreibt) auf dem Roten Platz steht, über den wenige Einheimische und etliche Touristen flanieren, die Arme in die Seiten gestemmt und lacht.

Moskau ist die Stadt der Gegensätze. Auf den Straßen fahren teure Autos über löcherigen Asphalt, überall sieht man Reklametafeln amerikanischer Firmen und fast schon darunter sitzen die Ärmsten der Armen und betteln. Die alten und historisch wertvollen Gebäude, von weitem imposant und von nahem sieht man den Zahn der Zeit, stehen im krassen Gegensatz zu den kommunistischen Betonklötzen, deren Balkone mit Glasscheiben versehen sind zwecks Gewinnung von zwei Quadratmetern mehr Lebens- und Wohnraum. Der neue Reichtum prallt auf die schon immer da gewesene Armut, die überall offensichtlich ist. Wenn man hinschaut, kann man die Verwahrlosung erkennen, denen viele Gebäude anheim fallen. Kein Geld für Instandsetzungen und mir, als Liebhaber von alten Gebäuden, tat es manchmal in der Seele weh, diese ehemals prächtigen Bauten so zu sehen. Ab und an Gerüste und Bauarbeiter, die mit beschränkten Mitteln ihr Bestes tun, den Verfall aufzuhalten. Vieles in Moskau spricht von ehemaliger Pracht und hinterläßt eine leichte Melancholie, doch man sieht auch viel Modernes und den Versuch, sich der westlichen Welt anzupassen, aufzuholen. Ich hätte gerne mehr Zeit gehabt in Moskau, doch Abends war der Weiterflug nach Saratov angesagt. Die Busfahrt zum Flughafen wurde mit einer Sightseeing-Tour verbunden und so erzählte uns die Fremdenführerin dann, was wir rechts und links des Weges bewundern konnten. Es war unangenehm warm im Bus, wir waren müde und außer der Tatsache, daß wir jeden Halt des Busses dankbar zum Frischluft tanken nutzten beziehungsweise uns naß regnen ließen, hörten wir der Dame bald nur noch mit einem halben Ohr zu und auch das gemeinschaftliche Wenden der Köpfe von rechts nach links wurde weniger. Die Informationsflut forderte ihren Tribut und auch wenn wir der fähnchenschwenkenden Fremdenführerin unsere Dankbarkeit am Ende der Tour zollten, war nicht nur ich froh, daß wir endlich am Flughafen waren und keine Stimme mehr aus dem Buslautsprecher plätscherte.

Mit einem alten Bus wurden wir über das Rollfeld befördert, nachdem wir die Abfertigung heil überstanden hatten. Dieser Bus hielt direkt auf eine Propellermaschine zu und mir blieb vor Schreck fast das Herz stehen. So ein Ding würde ich nur bewußtlos besteigen, wenn überhaupt! Zu meiner offensichtlichen Erleichterung, die meine Mitreisenden ungemein belustigte, schwenkte unsere klapprige Beförderung dann doch noch ab und hielt vor einem moderneren Flugzeug, das wir dann über eine steile Treppe am Heck bestiegen. Auch hier war der Komfort alles andere, nur nicht wirklich vorhanden. Den Flug hab ich mehr oder weniger gedöst und daran, daß mir in regelmäßigen Abständen Tropfen aus der Belüftung auf den Kopf fielen, war ich ja schon vom letzten Flug gewöhnt. Es war dunkel, als die Maschine zum Landeanflug ansetzte und niemand hatte uns darauf hingewiesen, daß Saratov über einen ehemaligen Militärflughafen verfügt, der mittlerweile zivil genutzt wird. Kurz über der Landebahn gingen plötzlich die Turbinen aus, ich bekam einen weiteren Schrecken und das Flugzeug sank wie ein Stein nieder, um dann auf der holprigen Landebahn aufzusetzen. Später wurde mir erklärt, daß die Landebahn für einen regulären Anflug zu kurz sei und man deshalb zu diesem "Trick" greifen müsse. Wenn ich das Wort Flughafen höre, dann habe ich hohe Hallen mit modernen Schaltern, Fließbändern, Wachpersonal, moderne und helle Bauten vor meinem geistigen Auge. Der Flughafen in Saratov besitzt nichts davon. Wir konnten dabei zusehen, wie unser Gepäck entladen wurde und wir werden wieder mit einem Bus zur Abfertigungshalle gefahren. Die Mitarbeiter an der Gepäckausgabe lassen sich Zeit, einer nimmt die Gepäckstücke vom Anhänger, ein anderer stellt sie ordentlich in Reih und Glied auf das uralte Transportband. Nur keine Eile. Passkontrolle verläuft reibungslos. Trotz der Tatsache, daß es in Moskau auch relativ zügig und ohne große Probleme von statten ging, nervös war ich trotzdem als ich dem Beamten meinen Paß durch die kleine Luke schob und er mein Paßfoto mit meinem Gesicht verglich. Vor dem Gebäude sammelte sich die Gruppe und dort wurden wir von Alexander Arndt erwartet, der von russischer Seite aus die Organisation des Austausches betreute. Er sprach fließend Deutsch und begrüßte uns mit einer Herzlichkeit und Offenheit, die auf mich absolut echt und nach einem anstrengenden Tag wirklich erfrischend wirkte. Mit zwei Bussen wurden wir ins Ferienlager gebracht. Im Dunkel sahen wir nicht viel von Saratov, einzig die Schlaglöcher in der Straßendecke spürten wir am eigenen Leib, während wir in einem ausrangierten Bus der Rheinbahn saßen, der mindestens schon dreißig Jahre auf dem Buckel hatte. Selbst das "Bitte nach hinten durchgehen" Schild und der Hinweis, daß Schwarzfahren teuer ist, waren original erhalten. Die Fahrt bis ins Lager dauerte ungefähr eine Stunde, die Lichter wurden spärlicher und wir waren vor der Stadt angelangt. Durch eine kleine Siedlung von Datschen gelangten wir vor die Tore unserer Unterkunft für die nächsten zwei Wochen.

Kaum ausgestiegen, wurden wir neugierig von unseren russischen Gästen beäugt. Irgendwie verlegen standen wir mit unserem Gepäck auf dem Platz, der von Flutscheinwerfern hell erleuchtet wurde. Es ist spät geworden während ich dies schrieb, also verschiebe ich die Erklärung, die das Wort "Kulturschock" seit diesem Abend für mich persönlich hat, auf morgen.

Samstag, Mai 28, 2005

Saratov - Rußland

Genau da war ich schon mal, genauer gesagt zwei Mal. Sommer 1997 und 2000, nach dem Abitur. Da steht auch das kleine, hübsche Gebäude vom letzten Foto - in Saratov oder im Kyrilischen geschrieben "Capatob". Während ich hier sitze, alle drei Fenster im Wohnzimmer aufgerissen, es draußen noch 20 Grad hat, eine kühle Brise durchs Zimmer weht und die Kerzen sanft zum Flackern bringt, mein Online-Sender Oldies spielt und ich genüßlich Tee trinke, muß ich an Saratov denken. An diesen unglaublich breiten Fluß, die Wolga, der im Winter auf seiner gesamten Breite von fünf, sechs Kilometern zufriert. An Lagerfeuer, an "Vierbettzimmer-Reihenbaracken", an den "Freßtempel", an melancholische russische Lieder, an Gewitter über Moskau, haufenweise Mücken, Plumpsklos und die Pferdetränke. An die Mädels, die entgeistert feststellen mußten, daß es im Ferienlager keine Spiegel auf den Zimmern gab, die ersten Erfahrungen mit echtem russischem Wodka, Verständigungsproblemen, Ausflüge in die Stadt, und und und ...

Angefangen hat es im November '96, als mir meine besten Freundinnen S. und Y. eröffneten, daß sie im nächsten Sommer mit der evangelischen Kirche nach Rußland fahren wollten. Ob ich nicht mitkommen wolle? Ich und Rußland? Aus Neugier mitgegangen zu einem der Vorbereitungstreffen, Feuer gefangen, Anmeldung mitgenommen und zu Hause zu den verblüfften Eltern gesagt: "Da unterschreiben, ich fahr da mit!" Ohne große Diskussion und ohne die Einwände, daß Rußland doch kein sicheres Reiseland sein könne, wirklich zur Kenntnis zu nehmen. Hab auch mehr oder weniger fleißig den kostenlosen Russisch-Unterricht besucht, nur gemerkt hab ich mir davon leider nicht viel. Was die heute 25jährige Mirtana ziemlich ärgert, daß ihr da als 17jährige die Weitsicht fehlte ... Bis kurz vor der Abreise stand der geplante Jugendaustausch zwischen evangelischer Kirche Hilden und evangelischer Gemeinde in Saratov ständig auf der Kippe. Da irgendwo in der Nähe von Saratov auch atomare Sprengsätze gelagert werden und die Situation mit den damaligen Splitterstaaten recht angestrengt war, hätte das ganze noch in letzter Sekunde platzen können. Ist es zum Glück nicht und auch die Visa waren vor dem Abflug dann endlich da. Treffpunkt Flughafen Düsseldorf, die ganze Truppe versammelt. Man kannte sich vom gemeinsamen Vorbereitungstreffen in "Neue Mühle" und war gleichermaßen aufgeregt. Wie einige der Mädels es geschafft haben, mit ihrem Gepäck unter zwanzig Kilo zu bleiben ist mir bis heute ein Rätsel, ebenso wie die Tatsache, warum diese Modepuppen überhaupt mitgefahren sind. Gepäck abgegeben, durch die Kontrolle dann in den Wartesaal. Fotografieren durften wir die Kontrollstation nicht und die russischen Beamten dort haben sogar die MagLites von unseren Betreuern komplett auseinander genommen. Sie hätten darin ja Waffen schmuggeln können ... Irgendwie verging dann auch die letzte Stunde bis zum Abflug, wenn auch sehr schleppend.

Für jeden, der in seinem Leben mal nach Rußland reisen möchte: entweder Ihr habt Nerven wie Stahlseile oder Ihr betrinkt Euch, bevor Ihr eine Maschine der AeroFlott besteigt. Unsere machte alles andere, nur keinen vertrauenserweckenden Eindruck. Selbst die Sitze waren entweder gar nicht mehr in einer Position feststellbar oder einem fiel ständig das Tablett auf die Knie oder man bekam aus der Lüftung stetig Tropfen eiskalten Wassers auf den Kopf. Als wir nach der Landung in Moskau alle begeistert klatschten (ja, genau wie man das aus den schlechten amerikanischen Filmen kennt), wurden wir von den russischen Fluggästen sowie dem Personal recht schräg angesehen. Erleichtert aus diesem Flugzeug Marke AeroHoppelschrott ausgestiegen und man merkte, man war in einer ganz anderen Welt gelandet. Ich kann mich nicht mehr erinnern, an welchem der drei Flughäfen Moskaus wir angekommen waren, aber er war eins mit Sicherheit: heruntergekommen. Absolut kein Vergleich mit dem funkelnden und sauberen Pendant in Düsseldorf.

Wir wurden abgeholt und ins Hotel Ismajlowa verfrachtet. Dieses "schicke" Hotel wurde in den 70ern errichtet, als damals die Olympiade in Moskau stattfand. Es bestand aus fünf Betonklötzen mit jeweils 28 Stockwerken. Und seit der Olympiade war daran auch nichts mehr getan worden. Die Zimmer waren alle mal identisch eingerichtet gewesen und im Laufe der Jahre hatte jedes eine andere Macke angenommen. In dem Zimmer, daß ich mir mit Y. geteilt habe, funktionierte die Klima-Anlage nicht so wirklich und die Toilettenspülung gab komische Geräusche von sich. Auch die Fahrstuhl-Anlage war zum Fürchten. Wir waren im Stockwerk 16 untergebracht und die Fahrt mit dem Aufzug war die längste meines Lebens. Ich hab nie wieder einen Fahrstuhl gesehen, der dermaßen geklappert hat. Sehr merkwürdig auch die Einteilung der Fahrstühle. Die auf der rechten Seite im Gang fuhren nonstop bis zum 17. und hielten dann auf jedem bis zum 28. Stockwerk. Die linkerhand gelegenen Aufzüge dagegen fuhren nur bis Stockwerk 16, was für uns hieß, wenn wir die Leute auf Etage 17 besuchen wollten, mußten wir erst bis ins Erdgeschoß und dann den Fahrstuhl wechseln. Auch die Idee, hoch in den 28. Stock zu fahren und vom "Balkon", der den Anfang der windigen Feuerleiter markierte, die Aussicht auf eine Stadt, die sich bis zum Horizont auszubreiten scheint, zu bewundern während ein Gewitter Blitze auf das nächtlich funkelnde Moskau schleudert, bescherte uns einen Aufzugwechsel. Denn die Türe zum Treppenhaus, welches als Notausgang ausgewiesen wurde, war logischerweise abgeschlossen, so daß sich die Idee, einfach eine Etage hoch zu laufen um dann mit dem Aufzug die "Reise" fort zu setzen, zwar als eine recht clevere aber nicht durchführbare Idee erwies. Aber das Zittern im Aufzug hat die Aussicht alle Male wieder wettgemacht, auch wenn es ein komisches Gefühl ist, im 28. Stock auf einem winzigen Balkon zu stehen, dessen Boden einzig ein Gitter ist, durch das man sehr schön die Höhe feststellen kann. Nichts für Leute mit Höhenangst. Und wir mußten ja auch mit dem Aufzug wieder ganz runter ... Da wir logischerweise nicht alleine durch das nächtliche Moskau laufen durften, endete der Tag dann auch ganz unspektakulär im Bett, wo ich feststellte, daß es kein Wasserbett war, sondern daß es Verschleißerscheinungen waren, die es zum Schaukeln brachten.

Den nächsten Tag hatten wir ein wenig Zeit, Moskau zu besichtigen. Unser Weiterflug nach Saratov war erst für Abends geplant. Und welche Eindrücke Moskau für unbedarfte Teenager auf Lager hat und wie man mit einer Ameisenstraße unter dem Bett ruhig schlafen kann, erzähle ich dann nächstes Mal. Jetzt genehmige ich mir ein Glas Wodka und hänge meinen Erinnerungen noch ein wenig nach bevor ich ins Bett gehe. Nastarowje!

Donnerstag, Mai 26, 2005

Reise Rätsel


Na, kann mir wer sagen, wo genau sich dieses hübsche, kleine Gebäude befindet? Denn genau in diese Stadt möchte ich mal wieder. Das letzte Mal, daß ich dort verweilte, war im Sommer 2000 nach meinem Abitur. Und wo unser Thermometer gerade die 30 Grad Marke sprengt und mir fürchterlich warm ist, mußte ich irgendwie daran denken, daß dort selbst 37 Grad im Schatten immer noch angenehmer waren als wenn es hier 25 Grad hat. Nicht zu vergessen, daß man sich in dem wunderbaren Fluß, der durch diese Stadt fließt, herrlich abkühlen konnte - und das erst recht, wenn man in Fließrichtung vor der Stadt einquartiert war.

So, jetzt noch einmal kalt duschen, meine Erinnerungen für heute wieder wegsperren und mit dem Papa des Herzallerliebsten Grillen gehen.

Mittwoch, Mai 25, 2005

Erinnert sich noch jemand?

An diese kleinen Papierpüppchen zum Ausschneiden? Für die man auch alle erdenklichen und unmöglichen Kleider ausschnippeln konnte. Ich hab die früher immer von Oma geschenkt bekommen. Die Frau war klug, sie wußte, daß ich damit für Stunden beschäftigt und somit ruhig sein würde. Das hätte sie mal meiner Mutter verraten sollen ...

Die Dinger gibt es auch virtuell, da heißen sie allerdings nicht mehr schnöde Papierpüppchen, sondern "Dollz" und es gibt haufenweise Seiten, wo man sich seine eigenen Püppchen zusammen basteln kann. Und schwupp, damit hat man Mirtana wieder stundenlang beschäftigt ... Ich mag Fummelarbeiten, selbst am Bildschirm, und ich war schon immer großer Fan von Basteleien jeglicher Art. Mit so etwas konnte ich mich endlos beschäftigen ohne daß mir die Geduld ausging. Eigentlich schade, daß ich auch das ganz vergessen habe. Gibt so viele Dinge und Talente, die ich einfach verdrängt habe. Seitdem ich irgendwo im Internet zufällig über diese "Dollzmaker" gestolpert bin, kommen viele Erinnerungen an die Dinge hoch, die ich als Kind gerne gemacht habe - wenn ich mich nicht gerade lesenderweise irgendwo in eine Ecke oder auch ins Grüne verzogen habe. Hat man mich eigentlich mal ohne Bücher gesehen? Selbst in langweiligen Schulstunden habe ich heimlich unter der Bank gelesen.

Erinnert sich noch jemand an "Slush Puppy"? Dieses komische Eisgetränk in den knalligsten Farben, das es in Pappbechern mit dem schielenden Hundewelpen zu kaufen gab? Gott, was waren mein Bruder und ich als Kinder verrückt nach dem Zeug, obwohl es im Grunde nach nichts außer Farbstoff schmeckte. Gibt's das überhaupt noch? Heute würde mir wahrscheinlich alleine von der Farbe schon schlecht werden.

Ach, es wird wieder Sommer und wenn ich Sommer höre, muß ich an ungezählte Familienurlaube in Ungarn denken. Wie mein Bruder mit meiner Mutter am Strand den ganzen Tag "Tropfsandburgen" gebaut hat und ich mit meinem Vater der Nase nach durchs Land gefahren bin und wir gemeinsam nach Fotomotiven gesucht haben. Ich sehe mich selbst auf dem Beifahrersitz, die Karte auf dem Schoß und vor jedem Straßenschild "Halt mal an, damit ich den Ortsnamen entziffern kann!" ausrufen. Je kleiner der Ort, desto länger der Name war die Faustregel. Die meisten von den winzigen Dörfern, die wir durchfahren haben, standen natürlich auf keiner Karte verzeichnet. Komischerweise haben wir trotzdem immer pünktlich zum Abendessen nach Hause gefunden ... Bin ich wirklich schon so alt, daß das über ein Jahrzehnt zurückliegt? Mit fünfzehn bin ich das letzte Mal mitgefahren, danach war immer Urlaub alleine bzw. in Jugendgruppen für mich angesagt.

Manchmal hat es Tage, da fühle ich mich fürchterlich alt. Heute ist einer dieser Tage, irgendwie. Und dann fehlen mir die verregneten Nachmittage mit Buch und Tee in meiner zehn Quadratmeter-Höhle im elterlichen Bau, die Stunden, die ich bei jedem Wetter mit Nachbars Hund durch die Wälder gestromert bin, das Volleyball-Training und morgens mit meinem Vater noch vor der Schule zum Schwimmen zu fahren. Gut, Schule und vor allem die meisten (nicht alle) meiner ehemaligen Schulkameraden fehlen mir ganz und gar nicht - wahrscheinlich würde ich die heute immer noch als genauso unangenehm empfinden wie damals auch.

Was hatten wir da auch für typische Exemplare der Gattung "Ich bin von Beruf Sohn/Tochter" und was gingen die mir in ihrer "Meine Eltern vergolden mir den Allerwertesten" Haltung auf den Keks. Das ich mit den meisten meiner Mitschüler nicht wirklich etwas anfangen konnte, ist die logische Schlußfolgerung daraus. Lediglich mit ein, zwei Mädels und etlichen von den Jungs (meist aus meinem Geschichts-LK) kam ich einigermaßen aus, der Rest hat mich überhaupt nicht interessiert. Das faszinierende daran, wenn man die anderen offensichtlich links liegen läßt und auch keinen gesteigerten Wert darauf legt "dazu zu gehören", dann wird das eigene Leben auf einmal so etwas von interessant, daß man sich selber fragt "wann hab ich denn so lange geschlafen, daß ich all diesen Spaß verpaßt habe?" Ich erinnere mich nur an unsere Abschlußfahrt in der Dreizehn - mit dem Deutsch-LK nach München - auf der ich nachher etwas mit dem jungen und sehr netten Busfahrer gehabt haben soll ...

Diese Abschlußfahrt, irgendwie liegt das meiste davon unter einer sanften Decke aus Rauch verborgen, der fast jeden Abend aus meiner, ebenfalls auf dieser Fahrt erstandenen und wohlgemerkt auch ersten eigenen, Bong entwich. Woran ich mich jedoch noch sehr gut erinnern kann, war die Diskussion, welches Ziel es denn nun sein dürfe. Leider hat Berlin damals ganz knapp gegen München verloren, es waren zu viele Mädchen, die wohl München "High-Society" trächtiger fanden als Berlin, in diesem Kurs. Tja, Berlin wäre allemal kulturell und historisch interessanter gewesen als dieses zwei Millionen Einwohner zählende Riesendorf am Rande der Alpen. Und weil unsere Deutschlehrerin ja auch eine sehr preisbewußte Frau war, gab es ein nettes Komplett-Angebot inklusive Hotel, Besuch des komischen Movieparks (ja, wie heißt denn dieser Filmpark irgendwo vor München doch gleich? Ich hab's vergessen), einem Tagesausflug zum Tegern See und, man höre und staune, Eintrittskarten für Arabella. Da mußte ich als 18jährige auch unbedingt hin ala "Bin ich getz im Färnsähn?" Tolle Erfahrung, fast einen gesamten Deutschkurs mit fast dreißig Leuten gegen sich zu haben, weil ich da nicht hin wollte. "Für so einen Scheiß bezahl ich kein Geld" war damals mein Hauptargument. Schweigende Unterstützung bekam ich auch nur von einem Mitschüler, der dann statt mit der Masse ins Fernsehen zu tigern mit mir nach Dachau gefahren ist. Hat mir den Widerwillen des Deutschkurses, den Ruf "uncool" zu sein und den Respekt der begleitenden Lehrer eingebracht.

Ja, manchmal hätte ich die Zeit gerne wieder. Was ich nicht gerne wieder haben möchte, ist all die Wut und der Zorn, den ich als Teenager mit mir rumgeschleppt habe. Einen Tag Zeitreise in die Vergangenheit und mit meinem heutigen Ich noch einmal einen Tag meiner Jugend erleben, das wär was ... Danach wär ich wahrscheinlich kuriert davon, noch einmal siebzehn sein zu wollen. Kommt wer mit?

Sonntag, Mai 22, 2005

That's how I feel today


"Fanticia" by Lord Leighton

Freitag, Mai 20, 2005

Warum eigentlich bloggen? - Neuauflage

Meine Fans der ersten Stunde werden diese Frage "Warum eigentlich bloggen?" mit Sicherheit schon einmal hier gelesen haben. Fans der ersten Stunde klingt gut, hab ich die überhaupt? Zeigt doch mal auf, streichelt mein Ego. Gibt auch Kuchen ;)

Gut, widmen wir uns wieder der Überschrift. Nachdem ich Abraxas Abschiedspost gelesen habe, in meinem Lieblingsforum die Frage aufgetaucht ist, wie authentisch unsere virtuelle Persönlichkeit eigentlich sein kann und auch noch von einer neuen Bekanntschaft via Chat gefragt wurde, warum man eigentlich bloggt, ratterten die kleinen Rädchen fleißig vor sich hin. Wie authentisch bin ich hier? Was von dem, was ich schreibe, ist wirklich "ich"? Hier geht es häufig um das, was ich denke und fühle. Also exhibitionistische Selbstdarstellung? Ich verlinke und kommentiere selten politisches (Welt)Geschehen oder kuriose Dinge, über die ich beim Surfen im Netz gestolpert bin. Was nicht heißen muß, daß ich keine Meinung dazu habe - ich finde lediglich, daß andere besser darüber schreiben können als ich.

Daß ich auf die Frage "blogge ich nur, um etwas darzustellen, was ich gerne wäre aber nicht bin?" keine direkte und schlüssige Antwort finde, macht mich ziemlich nachdenklich. Auch ich freue mich darüber, wenn man mein wirres Geschreibe kommentiert oder ich Zuspruch in den Wolfsspuren finde. Ist das schon Suche oder gar Sucht nach Anerkennung und wie sehr brauche ich das? Meine Zugriffsstatistiken verraten mir immerhin, daß sich im Schnitt zwanzig bis dreißig Leute täglich hier her verirren. Gut, auch wenn ich nicht glaube, daß Leute, die nach "nackten Knaben" (der Renner bei den Suchworten - ich sollte da mal was drüber schreiben) oder "Was tue ich auf die wunde Blase an meinen Füßen" suchen, lange hier verweilen werden. Dann lassen wir es optimistisch zehn Leser am Tag sein, die lesen, was aus meiner virtuellen Feder fließt. Auch wenn sie keine offensichtlichen Spuren hinterlassen, was denken sie über das, was ich hier online stelle? Sind sie meiner Meinung oder sieht ihre Sicht der Dinge ganz anders aus?

Wieviel kann man über einen Menschen wissen, wenn man nur dessen virtuelle Seite sieht? Die Worte, die er in Foren, Chats und Weblogs benutzt, wieviel verraten sie über ihn, sein wahres Wesen? Ich bin jemand, der Worte benutzt wie ein Chirurg seine Instrumente. Meine stärkste Fähigkeit ist der Umgang mit Worten. Doch wieviel von mir zensiert mein Unterbewußtsein wenn ich nach Formulierungen suche, die meiner Meinung nach am passendsten ausdrücken, was ich denke?

Das reine Wort an sich, mit dem wir es hier im Internet zu tun haben, läßt sehr viel Spielraum für Interpretation. Jeder wird sich aufgrund meiner Worte ein eigenes Bild machen, wie ich im realen Leben sein könnte. Ich kenne diesen Mechanismus des Interpretierens und ich kann ihn anwenden. Im realen Leben benutze ich oft genau die Worte, die mein Gegenüber hören möchte oder von denen ich weiß, daß sie exakt ins Schwarze treffen werden. Anhand dessen, was meine Gesprächspartner mir erzählt und vor allem, wie er es erzählt, welche Gestiken und welche Mimik er benutzt, kann ich sehr oft durch die Fassade schauen, die ein jeder mehr oder weniger vor sich aufbaut, bis zum Grund dessen, was er zu verbergen sucht. Wie jemand zum Beispiel über seine Eltern spricht, kann mir viel darüber verraten, wie das Verhältnis zu selbigen ist und manchmal sogar, warum es so ist. Kann man das auch noch, wenn man nur den reinen Text vor sich hat? Ohne die Interpretationshilfen Gestik, Mimik und Ausdruck?

Wir identifizieren uns mit dem Autor, wenn wir einen Text lesen, der uns anspricht. Jeder wird das kennen. Wir finden dieses oder jenes Buch gut, weil der Autor uns in seinen Bann zieht, weil er uns an der Sicht und den Erlebnissen einer meist fiktiven Figur teilhaben läßt. Wir leiden mit ihr, wir lachen mit ihr, wir bauen eine Art Beziehung zu ihr auf. Ist die Frage, inwiefern das bei Weblogs der Fall ist. Nun, wenn sie gut geschrieben sind geht es mir wie bei oben erwähntem Buch. Dann leide ich auch mit, dann lache ich mit und ich baue in der Tat eine Art Beziehung zu diesem Menschen, den ich doch eigentlich gar nicht kenne, auf. Doch wie gut kenne, kann ich, diesen Menschen kennen? Weblogs bieten einen Einblick in das Leben anderer Menschen und je nachdem auch in ihr Denken oder ihr Fühlen. Doch ich habe keine Möglichkeit, herauszufinden, wie authentisch der Weblog-Autor ist.

Nehmen wir als Beispiel das Swingende Weib (und es möge mir hoffentlich verzeihen, hier als Beispiel herhalten zu müssen). Sie schreibt über Weiblichkeit, Lust, Sehnsucht und das mit Worten, die mich packen, verzaubern, manchmal schmunzeln und manchmal nachdenklich werden lassen. Sie offenbart intime Gedanken und Erlebnisse und die Art und Weise, wie sie das tut, finde ich im höchsten Maße erotisch. Für mich ist das Weib wirklich eine erotische Frau. Dabei könnte sie in der Eisdiele am Nebentisch sitzen, eine dicke Brille auf der Nase, Birkenstocks an den Füßen und einen selbstgestrickten Pullover an haben und damit total unerotisch auf mich wirken. Ich weiß nicht, ob ihre Texte von wahren Erlebnissen berichten oder nur ihrer Phantasie entspringen. Sie bleibt anonym, schafft somit eine Distanz zwischen sich und ihren Lesern (was bei dem Thema wahrscheinlich auch sehr klug ist). Was ist bei ihr also echt und was nicht? Benutzt sie gar ihr Weblog nur, um sich im Internet anders darzustellen als sie im wahren Leben ist? Um eine Seite ihrer Persönlichkeit auszuleben, die im wahren Leben nie zum Vorschein kommt? Oder ist das Weib gar nur eine rein fiktive Gestalt, hinter der sich ein unbekannter Autor verbirgt?

Was hat das Weib nun mit mir zu tun? Davon abgesehen, daß ich ihr Weblog sehr mag und wir beide gerne zu schreiben scheinen, auf den ersten Blick wohl recht wenig. Gibt es denn Mirtana wirklich? (Die Leute, die mich real kennen, nehmt Euch ein Stück Kuchen und seid ruhig). Wer ist sie denn überhaupt? Ist sie wirklich die jenige, als die sie sich hier ausgibt? Oder habe ich sie vielleicht erfunden, um im Worldwide Web etwas zu sein, was ich im realen Leben gar nicht bin? Könnte ja sein, wer könnte mir schon das Gegenteil beweisen?

Womit ich wieder bei der Frage wäre, warum tue ich das hier eigentlich? Warum stelle ich mich und Teile meines Inneren hier bewußt zur Schau? Nun, ich habe Spaß am Schreiben und dem Spiel mit Sprache. Ich finde gerne Worte für das, was in mir vorgeht. Ich diskutiere gerne mit mir selber, stelle mich in Frage und finde neue Antworten. Ich weiß, daß ich mich hier oft widerspreche, doch dieser Teil von mir ist in der Tat echt. Das, was ich gestern so kommentiert habe, kann ich heute schon wieder ganz anders sehen. Denn, was interessiert mich meine Meinung von gestern? (Ich weiß leider nicht mehr, von welchem klugen Menschen dieses Zitat stammt). Vielleicht ist es wirklich eine exhibitionistische Neigung, die jedoch nicht soweit geht, dem Herzallerliebsten die URL zu diesem privaten Reich zu verraten. Warum nicht? Weil ich mich nicht für jeden Satz rechtfertigen möchte und weil ich beim Schreiben nicht darüber nachdenken will, wie ich etwas möglichst schonend für ihn formuliere. Das tue ich, wenn ich mit ihm über das, was uns beide betrifft, von Angesicht zu Angesicht rede. Doch hier will ich mich austoben und manchmal auch rücksichtslos sein dürfen.

Stimmt, das kann ich in meinem privaten Tagebuch (das es durchaus auch noch gibt, altmodisch mit Stift und Papier schreiben hat etwas) auch, dafür müßte ich nicht diese Seite nutzen. Die ehrliche Antwort auf die Frage, warum ich das dann tue, lautet schlicht und ergreifend: weil ich es kann. Vor Jahren wäre die damalige Mirtana niemals auf die Idee gekommen, öffentlich im Internet zu schreiben. Sie hätte sich geschämt und Angst davor gehabt, ausgelacht zu werden. Sie hat ihre Texte in ihrem Tagebuch gehortet oder gut verschlüsselt auf der Festplatte ihres alten PC's gelagert. Diese Mirtana war jemand, der immer etwas dargestellt hat und so gut wie jeden auf Distanz gehalten hat. (Distanz schaffe ich hier auch, weil ich unter einem Pseudonym schreibe. Doch ich bin mir ziemlich sicher, daß ein gewiefter Hacker auch herausfinden könnte, wo ich wohne und wie oft ich wann mit wem telefoniert habe.) Denn es gibt durchaus ein paar Freunde aus meinem realen Leben, die hier ab und zu mal vorbeischauen und denen ich früher nie erzählt hätte, was mich bewegt. War ja auch selten meine Aufgabe, ich fand das Zuhören und anderen bei ihren Problemen helfen immer angenehmer, als mich offen und verletzlich zu geben.

Deswegen sagte ich, daß ich diese Seite benutze, um zu Schreiben und mir im Prozeß des Schreibens auch über viele Dinge klar zu werden, weil ich es schlicht und ergreifend kann. Nicht das Schreiben, da gibt es wesentlich talentiertere Menschen als mich, aber das zugänglich machen von Gedanken und Gefühlen für andere. In Ruhe das sagen zu können, was ich zu sagen habe. Schließlich kann mir keiner dazwischen quatschen während ich mit dem ollen Ludwig im Kopfhörer hier früh morgens sitze und vor mich hin sinniere. Ich kann mir alle Zeit der Welt lassen und mir in aller Ruhe überlegen, wie ich das, was ich sagen möchte, am verständlichsten rüberbringe. Gut, daß der liebe H. mich nicht versteht, das ist Pech ;)

Genau, deswegen blogge ich also. Beruhigend zu wissen und jetzt muß ich aber. Ihr wißt schon, den versprochenen Kuchen backen. Lieber Schokolade oder Zitrone?

Samstag, Mai 14, 2005

Nächtliche Überraschung

Ich glaube, meine Grippe im Anzug habe ich erfolgreich mit der Hilfe eines Bades und diverser Hustentees in die Flucht geschlagen, mir geht's heute wieder wesentlich besser. Nur die Nase läuft noch ein wenig und ich hoffe, ich habe auf meine alten Tage nicht plötzlich einen Heuschnupfen entwickelt, wie mir von einem der Mitbewohner heute spöttisch vorgeschlagen wurde. Wenn nachher alle vollzählig hier versammelt sind, wird es endlich weitergehen auf der Reise nach Thorwal. Ich bezweifle zwar, daß wir da jemals ankommen wenn wir uns in jeder neuen Stadt wieder auf die Jagd nach dubiosen Schätzen machen ...

Als ich gestern Abend mehr aus purer Langeweile denn wirklicher Erwartung meine e-mails checkte, fand ich etwas, das ich zunächst als Spam identifizieren wollte und was mich bei näherem Betrachten dann verwirrte. "Rückmeldung von WebRadio Troisdorf" stand in der Betreffzeile. Da ich mich partout nicht daran erinnern konnte, mich dort mit meiner e-mail Adresse verewigt zu haben und mir auch nicht erklären konnte, wie man sonst an meine Adresse bei gmx gekommen sein könnte, klickte ich also neugierig auf "öffnen". Siehe da, man war über Google und die Tatsache, daß ich eben jenen Radiosender verlinkt hatte, auf mein Blog respektive meiner e-mail Adresse gestoßen. Und ich müßte lügen, wenn ich behaupten würde, daß mich Lob nicht freuen würde. Die Welt ist kleiner geworden seitdem es Google gibt.

Freitag, Mai 13, 2005

Fernweh

Heute - oder war es gestern - eine E-Mail bekommen. Nun ist es ja für die meisten Menschen alltäglich, daß sie Post in ihrem virtuellen Briefkasten haben. Nur ein paar Zeilen, die da auf meinem Monitor standen. Und es war klar, es wird für eine wahrscheinlich lange Zeit die letzte Mail gewesen sein. Macht mich einerseits ein wenig traurig, doch auf der anderen Seite freut es mich. Wieder jemand, der seinen Traum wahr zu machen scheint.

Manchmal hat das Leben die lustige Angewohnheit, uns genau die Menschen über den Weg zu schicken, die wir in genau diesem Augenblick auch brauchen. Die uns an etwas erinnern, was wir vergessen glaubten. Die uns Hoffnung schenken, daß das Leben doch nicht nur grau ist. Die an uns glauben, wenn wir nicht mehr an uns selber glauben. Die uns Dinge sagen, die wir schon lange dachten und nie auszusprechen wagten, da aussprechen ihnen Realität verleihen würde - und nicht immer möchten wir alles zu Realität werden lassen. Die einfach durch sämtliche Masken und Illusionen schauen und uns mit uns selbst konfrontieren ohne das Gesehene zu bewerten. Die einem manchmal genau die Ohrfeige versetzen, die wir uns selber nicht geben können. Die keine Angst davor haben uns die Wahrheit zu sagen. Die uns manchmal einfach unsere Flügel wieder geben und sagen "Flieg, mehr als stürzen kannst Du nicht".

Da saß ich nun, die paar Zeilen auf meinem Bildschirm betrachtend und in mir regte sich ein uralter Traum, den ich bereits vor meinem Abitur hatte. Mein letztes Refugium, wenn die Welt um mich herum unerträglich wurde. Ich wollte reisen, einfach nur reisen. Ich habe mich selber gesehen, Geschirr spülend oder Toiletten putzend in kleinen Hotels, gerade so lange bleibend um das nötige Geld für die Weiterreise aufzutreiben. Alles, was ich brauche, in meinem Rücksack auf dem Rücken. Mal am Strand, mal auf einer Parkbank und ab und an auch mal in einem billigen Hotel schlafend. Per Anhalter oder Zug reisend, mal laufend.

Nach dem Abitur wollte ich starten. Doch dann bekam ich einen Platz am Wirtschaftskolleg. Danach, dachte ich mir. Danach startest Du und eroberst die Welt, löst Dich von den Erwartungen Deiner Familie und lebst Dein Leben. Doch als ich meine Ausbildung abgeschlossen hatte, gab es den Herzallerliebsten. Und ich blieb wieder, quälte mich durch verschiedene Jobs als Sekretärin und hatte Sehnsucht nach fremden Plätzen und noch nicht getroffenen Menschen im Herzen. Bis die Quälerei mit einem Job, für den ich nicht geschaffen bin, ein Ende hatte und der Entschluß kam, Street Workerin zu werden. Das ziehst Du jetzt durch, das bringst Du zu einem glücklichen Ende - schließlich kannst Du nicht immer das schwarze Schaf der Familie bleiben, sondern solltest es zu etwas bringen. Wieder verschwand der Traum aus meinem Leben und eine Höhe folgte der nächsten Tiefe auf dem steinigen Weg.

Dann kommt diese Mail und ich hab wieder die gleiche Sehnsucht im Herzen die mich auch die Zeit bis zum Abitur hat durchhalten lassen. Wo auch immer es Dich hintreibt, ich wünsche Dir Wind unter Deinen Flügeln während Du den Traum lebst, den ich schon fast vergessen habe. Schick mir eine Prise vom Geruch des Meeres wenn Du angekommen bist. Ich werde hier sitzen, Berichte von Weltenbummlern und Abenteurern durchlesen und mir den Mut wünschen, einfach von der Klippe springen zu können. Die Flügel ausbreiten zu können, darauf vertrauend, daß sie mich sicher durch das Abenteuer Leben tragen werden. Ich sehne den Tag herbei, an dem das Fernweh so stark wird, daß es sämtliche Bedenken, wenns und abers einfach über Bord fegt und mich von hier fortspült, in mein eigenes Abenteuer.